Biologische
Pflanzenschutz-
mittel
Wirkstoffwegfall und die Aufforderung zur Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes verändern den Ackerbau. Biologischer Pflanzenschutz wird damit auch für konventionelle Betriebe zu einer interessanten Option.
Terminologie – Was sind
Biologicals?
Als „Biologicals“ werden Produkte bezeichnet, die natürlichen Ursprungs sind, und einen erwünschten Effekt auf Kulturpflanzen ausüben. Das beinhaltet sowohl Produkte, die vor Krankheiten oder Schadinsekten schützen sollen, als auch Produkte, welche die Pflanzenvitalität oder –Leistung verbessern.
Produkte, die natürlichen Ursprungs sind, lassen sich verschiedenen Klassen zuordnen:
- Mikrobiotisch: Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Viren)
- Makrobiotisch / Nützlinge: Predatoren oder Parasiten, Raubmilben, Nematoden
- Naturstoffe: Pflanzen- oder Algenextrakte, Metabolite von Mikroorganismen
Biologicals sind, unabhängig davon, welcher dieser Klassen sie angehören, je nach Wirkung entweder biologische Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenstärkungsmittel. Die Einstufung hat großen Einfluss auf den notwendigen Aufwand bis zur Vermarktung.
Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen neu
denken
Die Suche nach neuen Wirkstoffen im Bereich Pflanzenschutz wird zunehmend schwieriger und gleicht der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: Nur eine von 160.000 getesteten Einzelsubstanzen schafft es als Pflanzenschutzmittel auf den Markt. Die Regularien zur Zulassung chemischer Pflanzenschutzmittel werden zunehmend strikter, schließlich ist die Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes gesellschaftspolitisch ausdrücklich gewollt. Auf der anderen Seite verbreiten und entwickeln sich Resistenzen munter weiter.
Biologicals kommt daher als Quelle für neue Wirkungsmechanismen eine immer wichtigere Rolle zu. Sie werden zunehmend wertvollere Instrumente im Resistenzmanagement sein, auch in der konventionellen Landwirtschaft. Sie ergänzen schon heute den synthetischen Pflanzenschutz in Pflanzenschutzstrategien, wo der Handel oder Verarbeiter eine Maximalzahl für Wirkstoffe im Endprodukt vorgibt, z.B. im Weinbau oder bei Obst und Gemüse.
In unserem Forschungs- und Entwicklungsstandort in Stein (Schweiz) fokussiert Syngenta v.a. auf die folgenden zwei Bereiche:
- Biologische Pflanzenschutzmittel (BioControls): Die Ausbreitung von Schädlingen wie Insekten oder Pflanzenkrankheiten soll mit Hilfe anderer Organismen reduziert werden. Die Wirkungsweise beruht auf Raub, Parasitismus, Pflanzenfraß oder anderen natürlichen Mechanismen
- Biostimulanzien (BioStimulants):
Leistungsoptimierung durch Erforschung der Wechselwirkung von Pflanzen mit der Umwelt.
„Biologicals“ | ||
Biologische Pflanzenschutzmittel (BioContols)Hilft bei biotischem Stress (Krankheiten, Schadinsekten, Nematoden, Unkräuter/Ungräser) |
Direkte Wirkung auf den Schadorganismus | Indirekte Wirkung, Stimulation der pflanzlichen Abwehrmechanismen |
Pflanzenstärkungsmittel (BioStimulants)Hilft bei abiotischem Stress (Temperaturextreme, Trockenheit, …) |
Verbesserung der Pflanzenvitalität |
Je nach Einstufung werden Biologicals
auch zugelassen oder nur gelistet
Biologische Pflanzenschutzmittel (BioControls):
Biologische Pflanzenschutzmittel müssen wie chemische Pflanzenschutzmittel nach (EC) 1107/2009 zugelassen werden. Es gibt bisher nur sehr wenige spezifische Regelungen für diese Gruppe von Pflanzenschutzmitteln
Biostimulanzien (BioStimulants):
Pflanzenstärkungsmittel, aber auch Biostimulanzien, Düngemittel und Bodenverbesserungsmittel, sind per Definition keine biologischen „Pflanzenschutzmittel“ und müssen den o.g. Zulassungsprozess nicht durchlaufen. Sie werden zurzeit in Deutschland je nach Wirkungsbereich bzw. Auslobung entweder nach § 45 PflSchG (Pflanzenstärkungsmittel) oder nach der nationalen Düngemittelverordnung bewertet und in Verkehr gebracht. Folgende Wirkungskriterien gelten für diese Produktgruppe:
- Steigerung der Ernährungseffizienz der Kulturpflanze
- Steigerung der Gesamtleistung der Kulturpflanze
- Versorgung der Kulturpflanze mit Nährstoffen (gilt nur für Düngemittel)
In keinem Fall darf es eine direkte Wirkung auf den Schaderreger geben. Das Ziel der Behandlung mit Pflanzenstärkungsmitteln ist ausschließlich die Stärkung der Vitalität und Abwehrfähigkeit der Kulturpflanze.
Agronomische Produkte | ||
Zulassungnach (EC) 1107/2009 |
Chemische Pflanzenschutzmitel (incl. Wachstumsregulatoren) | Biologische Pflanzenschutzmittel |
Listung / Einstufungnach nationaler Gesetzgebung* |
§ 45 PflSchG |
Pflanzenstärkungsmittel |
Düngemittel-VO |
Biostimulanzien, Düngemittel und Bodenverbesserungsmittel |
Bisher stehen vor allem
Mikroorganismen zur Verfügung
In den Jahren 2017-2019 wurden in der EU ca. 30 neue biologische Wirkstoffe genehmigt. Die
Mehrheit der zurzeit zugelassenen biologischen Pflanzenschutzmittel enthält Mikroorganismen, also Bakterien und
Pilze.
Das neue Produkt Taegro®
enthält das Bacillus amyloliquefaciens (Stamm FZB24). Bakterielle Metabolite besitzen eine fungizide Wirkung und
schützen so Wein, Tomaten oder Erdbeeren vor Echtem Mehltau, Botrytis oder Alternaria.
Der Wirkstoff COS-OGA im neu zugelassenen FytoSave besteht hingegen aus natürlich vorkommenden
Oligosacchariden aus den Schalen von Krustentieren und Zitrusfrüchten. FytoSave aktiviert die Abwehrkräfte von
Reben gegen Falschen und
Echten Mehltau und hat somit eine indirekte fungizide Wirkung.
Syngentas neue Biostimulanzien für den Ackerbau
Seit dem Frühjahr 2022 stehen mit der Einführung von Megafol im Getreide und Quantis in der Kartoffel erstmals zwei Biostimulanzien Lösungen von Syngenta für den Ackerbau zur Verfügung. Zur Saison 2023 kam mit NutribioN ein weiteres Produkt hinzu.
Erfahren Sie hier mehr dazu, wie Sie Ihr Ertragspotenzial unter Stressbedingungen absichern.
Zulassung von biologischen
Pflanzenschutzmitteln: Zurzeit eine
große
Hürde
Die Zulassung aller, also chemischer und biologischer Pflanzenschutzmittel, erfolgt nach (EC) 1107/2009. Es gibt kein separates EU Gesetz für biologische Pflanzenschutzmittel, lediglich einige spezifische Regularien zu vereinfachten Datenanforderungen und zusätzlichen Möglichkeiten der Verwendung veröffentlichter Daten.
Biologische Pflanzenschutzmittel sind komplexer als chemische Pflanzenschutzmittel, was zu ganz besonderen Herausforderungen führt.
- Wirkmechanismen sind komplexer und teilweise nicht vollständig bekannt
- Wirkungsgrade sind bei solo-Anwendung oft geringer
- Der Anwendungszeitpunkt ist von zentraler Bedeutung (Umweltbedingungen spielen eine viel größere Rolle bei der Wirkung, wodurch Versuchsergebnisse oft nicht 1:1 reproduzierbar sind)
- Die toxicologische Relevanz ist schwierig zu bewerten, wird pauschal als relevant entschieden
Biologische Pflanzenschutzmittel sind aufgrund ihrer komplexen Bestandteile deutlich
schwieriger zu charakterisieren (genaue Zusammensetzung, Wirkmechanismen, Abbauverhalten, mögliche
Interaktionen mit Mensch und Umwelt u.v.m).
Beispiel mikrobielle Metabolite: Viele werden nur in kleinen Mengen gebildet und sind nicht lange stabil,
oft sind sie nicht kommerziell erhältlich. Ein experimenteller Nachweis dieser Metabolite in der Umwelt oder
an Nahrungsmitteln ist daher oft nicht möglich.
Dennoch werden diese Daten von den Behörden gefordert; bei Abwesenheit ist eine „Risikobewertung für
Verbraucher und Nichtzielorganismen nicht möglich“ (Datenlücke)! Das bedeutet, dass ein „natürliches“
Produkt nicht als „low risk“ (risikoarm) eingestuft werden kann.
Dies führt beispielsweise zur notwendigen Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung bei der Ausbringung,
was wiederum eine Zulassung im Haus- und Kleingarten verhindert.
Fazit:
Ungeeignete Datenanforderungen verhindern heute noch oft die Zulassung risikoarmer biologischer Pflanzenschutzmittel. Es braucht zukünftig eine andere Herangehensweise bei der Bewertung dieser Produkte.
Was sind weitere Herausforderungen im
biologischen Pflanzenschutz?
Während sich Biologicals im Weinbau und im Obst- und Gemüseanbau zunehmend mehr etablieren (hier punkten sie vor allem durch günstige Rückstandsprofile bei Nahrungsmitteln), spielen sie für den konventionellen Ackerbauer bisher keine große Rolle. Die Gründe hierfür sind vielfältig:
- In erster Linie sind die Wirkungsgrade meist noch niedriger als die chemischer Produkte.
- Die regulatorischen Hindernisse verhindern immer wieder die Zulassung von „low risk“ Biologicals.
- Die Wirkung ist meist unsicher, sie wird von vielen Umwelt-Faktoren beeinflusst
- Die meisten Produkte wirken nur vorbeugend, müssen also vor oder zum Infektionsbeginn ausgebracht werden
- Die Wirkungsdauer ist z.T. deutlich kürzer als die chemischer Wirkstoffe
- Darüber hinaus müssen die biologischen Produkte auch einfach händelbar sein. Sie sollten 1 bis 2 Jahre gelagert werden können. Auch Tankmischungen sollten möglich sein. Lebende Organismen müssen zudem draußen im Feld noch biologisch aktiv sein.
- Oder, ganz simpel: Der Verbraucher brauchte sich bisher mit Biologicals nicht wirklich beschäftigen. Bisher waren chemische Produkte mit zuverlässiger und sicherer Wirkung kein Mangel.
Doch vieles ändert sich. Die Branche steht unter dem Druck, die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel deutlich zu reduzieren. Resistenzen oder Wirkstoffwegfall bedingen die Suche nach Alternativen zum bisher Genutzten.
Welche Rolle spielen Biologicals in ein
paar Jahren?
Die Anpassung der EU-Regularien für die Bewertung und Zulassung von Biologicals ist Voraussetzung für die zukünftige Entwicklung potenter Produkte. Eine erste Erleichterung der Zulassung erfolgte 2017 mit der VO EU/2017/1432 (Kriterien für „low risk“ Pflanzenschutzmittel). Solche Pflanzenschutzmittel sind nicht rückstandsrelevant, Risikominderunfgsmaßnahmen sind nicht notwendig und die Zulassungsdauer ist länger (15 Jahre). Der nächste große Schritt wird eine Revision der 1107/2009 /Anpassung der Datenanforderungen für Biologicals gemäß deren Herstellungstechnologien sein (erwartet erst ab 2023).