Wirkstoff-
verluste

Woran liegt es, dass uns immer weniger Wirkstoffe zur Verfügung stehen? Ein Grund: Die Komplexität der Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln in der EU.

Erfolgreicher Ackerbau wird von Wirkstoffverlusten massiv bedroht

  • Dr. Günther Peters, Leiter der Abteilung für Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln von Syngenta, erläutert die Hintergründe des allgegenwärtigen Wirkstoffwegfalls. Das Interview wird geführt von Tobias Lembach, Verkaufsberater Syngenta.

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Dr. Günther Peters:

„Das hängt mit dem komplexen Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel in der EU zusammen. Das Zulassungssystem in Europa ist seit 30 Jahren zweigeteilt.

Wir reden einerseits über die Wirkstoffgenehmigung in der EU27. Sie ist die Voraussetzung für die Produktzulassung in jedem einzelnen Land. Wenn alles gut geht, dauert das Verfahren fristgerecht ca. 3 Jahre. Oft sind diese Verfahren verzögert und es kann nach der Antragstellung noch deutlich länger dauern bis eine Entscheidung fällt. Wir arbeiten als Hersteller in Summe schon mal 7 oder 8 Jahre an einem Verfahren, bis die Genehmigung für den Wirkstoff dann entschieden ist.

Nach der Wirkstoffgenehmigung folgt die Antragstellung für die Zulassung der Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff, z.B. in Deutschland. Diese Verfahren dauern dann offiziell nochmal 12 bis 18 Monate bis zur Produktzulassung, z.T. auch deutlich länger.

Durch diese langen Zeiträume vom Auftreten oder Bekanntwerden eines Pflanzenschutzproblems bis zur Verfügbarkeit eines wirksamen neuen Pflanzenschutzmittels kann relativ viel Zeit vergehen. Zugleich verlieren in den letzten Monaten und Jahren immer mehr Wirkstoffe in der EU ihre Genehmigung. Hierdurch wird der Eindruck erweckt, dass keine oder zu wenige neue Wirkstoffe nachkommen.“

Tobias Lembach:

Was antworten Sie auf die Frage, warum von der forschenden Industrie in den letzten Jahren so wenig Neues entwickelt wird?

Dr. Günther Peters:

„Bei den Verfahren zur Bewertung von Wirkstoffen in der EU gilt das Prinzip „Einer für alle“. Ein Mitgliedsstaat arbeitet an dem Dossier zur Wirkstoffbewertung, die anderen Staaten kommentieren. Die europäische Kommission entscheidet dann mit allen Mitgliedsstaaten über den Wirkstoff.

Auf Produktebene ist es so, dass auch hier „Einer für Alle“ entscheidet, aber nur innerhalb einer Zulassungszone. Deutschland ist eines von 12 Mitgliedsstaaten der mittleren Zulassungszone in der EU. Deutschland würde z.B. einen Antrag auf Produktzulassung prüfen, und die anderen Staaten der Zone können kommentieren. Deutschland trifft in diesem Fall die Entscheidung über die Produktzulassung, und die anderen Mitgliedsstaaten müssen diese Entscheidung übernehmen.“

Tobias Lembach:

Warum dauert das Verfahren so lange? Wie ist die Bewertung von Wirkstoffen in der EU organisiert?

Wirkstoffgenehmigung und Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel

Wirkstoffgenehmigung und Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel

In Pflanzenschutzmitteln dürfen nur Wirkstoffe enthalten sein, die im EU-Gemeinschaftsverfahren genehmigt wurden. An dieser Genehmigung sind BVL und die drei Bewertungsbehörden ebenfalls beteiligt.

Dr. Günther Peters:

„Wir haben als Firma alles in Gang gesetzt, um den Wirkstoff Chlorthalonil erneut zur Genehmigung zu bringen; am Ende vergeblich. Einer der Gründe für das Verbot von Chlorthalonil waren Fragen zu Grundwassermetaboliten. Wir haben die geforderten Studien gemacht, aber im Laufe des Verfahrens kamen neue Fragen, z.B. zur Genotoxizität von neuen Metaboliten. Diese Studien wurden nachgearbeitet, konnten aber dann nicht mehr im Verfahren bewertet werden. Es ist eine Neuerung in dem EU-Verfahren, dass man nur noch begrenzt Daten nachliefern kann. Was das Bewertungsverfahren eigentlich beschleunigen soll, hat am Ende dazu geführt, dass der Wirkstoff Chlorthalonil endgültig abgelehnt wurde.

Jetzt ist natürlich die Frage, wie früh haben wir das gewusst, und haben wir an Alternativen gearbeitet? Wir haben das Risiko gesehen und schon 2015/16 begonnen an Folpet-haltigen Produkten wie Amistar Max zu arbeiten. So lange dauern – wie vorhin geschildert – die Zulassungsprozesse.

Amistar Max wird voraussichtlich für die Saison 2023 zur Verfügung stehen. Bis dahin können wir - wie auch schon in 2021 - mit der von den Zulassungsbehörden erteilten Notfallzulassung für Amistar Max die Lücke in der Gerste überbrücken.

Der beschleunigte Wirkstoffwegfall ist ein Grundproblem in der EU. Wirkstoffe gehen verloren und lösen Notfallsituationen für die Landwirte aus. Der Notfall ist schließlich nicht durch die Ramularia entstanden, die war schon vorher da. Der Notfall ist dadurch entstanden, dass der Wirkstoff Chlorthalonil verloren gegangen ist. Eine Notfallzulassung ist in immer mehr Fällen der einzige Weg, bestimmte Kulturen noch erfolgreich anbauen zu können.“

Tobias Lembach:

Ein großes Problem ist aktuell die Ramularia-Bekämpfung in der Gerste. In 2020 ist der Wirkstoff Chlorthalonil und damit Amistar Opti weggefallen. Wir arbeiten mit dem Wirkstoff Folpet an einer Nachfolgelösung für Amistar Opti. Wieso ist diese Lösung noch nicht zugelassen?

Vorläufiges Produktprofil Amistar Max1)
Wirkstoffe Azoxystrobin 93,5 g/l - Folpet 500 g/l (SC)
Kultur Gerste (Wintergerste und Sommergerste)
Wirkungsspektrum Sprenkelkrankheit (Ramularia collo-cygni)
Stadium der Kultur BBCH 37-49
Aufwandsmenge 1,5 l/ha, 1x/Jahr
Anwendungs-
bestimmungen
NW605-1; 5, 5, länderspezifisch NW606:10
Empfehlung Elatus Era 1,0 l/ha + Amistar Max 1,5 l/ha
Gebindergröße 4 x 5 L Amistar Max

1) Zulassung nach Art. 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 i. V. m. § 29 PflSchG – ausschließlich auf das Inverkehrbringen und die Anwendung gegen die Sprenkelkrankheit (Ramularia collo-cygni) an Gerste beschränkt - gültig für 120 Tage vom 01. April 2022 bis zum 29. Juli 2022. Zulassung ist beantragt.

Amistar max

Der Antrag auf Produktzulassung ist Mitte 2020 gestellt1)

Der Antrag auf Produktzulassung ist Mitte 2020 gestellt worden. Wir brauchen davor ungefähr 9 Monate, um die Daten für den Antrag zusammenzuschreiben. Davor lagen 2 Jahre biologische Versuche zur Wirksamkeit im Feld. Von der Antragstellung bis zur Zulassung dauert es dann nochmal 12-18 Monate. Nachfolgelösung für Amistar Opti. Wieso ist diese Lösung noch nicht zugelassen?

Wenn die Wirkstoffe für ein neues Pflanzenschutzmittel also in der EU bereits genehmigt sind, und eine stabile Formulierung vorliegt, dann braucht es mindestens 4 Jahre bis zur Produktzulassung.

Voraussichtlich wird Amistar Max dem Markt für die Saison 2023 zur Verfügung stehen.

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