Sechs Fragen und Antworten zum Erdbeeranbau in Zeiten des Klimawandels
Die Wetterdaten der vergangenen Jahre belegen eine klimatische Verschiebung, vor allem werden höhere Temperaturen gemessen und eine Zunahme von Wetterextremen festgestellt. Welche Auswirkungen das auf den Erdbeeranbau hat, dazu forscht Frau Dr. Krüger an der Hochschule in Geisenheim. Sie arbeitet dort am Institut für Obstbau.
Was sind die Gründe, weshalb Sie den Einfluss der Wetterphänomene auf Wachstum und Ertrag der Erdbeere untersuchen?
Dr. Erika Krüger: Der Klimawandel ist mittlerweile ein weltweit akzeptiertes Phänomen, mit starken Veränderungen insbesondere in den letzten 20 Jahren. So ist in diesem Zeitraum zum Beispiel in Geisenheim die durchschnittliche Jahrestemperatur um 0,7 °C im Vergleich zum langjährigen Mittel der Jahre 1971-2000 gestiegen. Gleichzeitig lagen in dieser Periode die 13 wärmsten Jahre seit 1885, dem Beginn der Wetteraufzeichnungen in Geisenheim.
Für die Entwicklung der Erdbeeren haben insbesondere die Herbst- und Wintertemperaturen eine große Bedeutung. Jede Erdbeersorte hat im Herbst, zur Zeit der Blütenanlage fürs kommende Frühjahr, ihre eigenen Ansprüche an Temperatur und Tageslänge. Im Durchschnitt der letzten 20 Jahre lagen die Herbst- und Wintertemperaturen 0,3 bzw. 0,9 °C über dem langjährigen Mittel, und wichen in extremen Jahren sogar bis zu 3,4 °C ab. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Winter 2006/07 und 2014/15.
Diese Beobachtungen stehen im Einklang mit meteorologischen Vorhersagen, die bis Ende des 21. Jahrhunderts, u.a. für Nordeuropa mildere Winter vorhersagen.
Die Veränderungen beim Niederschlag sind dagegen regional sehr unterschiedlich und variieren von Jahr zu Jahr sehr stark. Generell sagen die Vorhersagen für Nordeuropa mehr Starkregenereignisse voraus, während der Süden Europas mit längeren Trockenperioden zu rechnen hat.
Deshalb untersuchen wir in Geisenheim diese klimatischen Veränderungen in Hinsicht auf die Auswirkungen für den Erdbeeranbau.
Welche Auswirkungen haben Sie im Erdbeeranbau beobachtet?
Dr. Erika Krüger: Die wärmeren Herbst- und Wintermonate der letzten Jahre führten zu einem nachweislich frühen Austriebs- und Blühbeginn. Im vorhin erwähnten Jahr 2007 beispielsweise begann in Geisenheim die Sorte `Elsanta´ bereits am 6. April im Freiland zu blühen. Je nach Region und Jahr kann damit das Spätfrostrisiko steigen. Dieser Trend zur einer frühen Blüte ist aber nicht zwangsläufig auch mit einem frühen Erntebeginn verbunden, weil nach einem frühen Blühbeginn nicht zwangsläufig auch eine Periode warmer Temperaturen bis zur Reife folgt.
Bedeutender für den Erdbeeranbau als die Verschiebung von Blühbeginn und evtl. der Erdbeersaison, ist die Tatsache, dass die Pflanzen durch die wärmeren Herbst- und Wintermonate noch in weiteren physiologischen Prozessen beeinflusst werden. Ich denke hier insbesondere an die Anlage der Blüten und die Winterruhe.
Was heißt das ganz konkret: Inwiefern ist die Blütenanlage im Herbst beeinflusst?
Dr. Erika Krüger: Die im Juni tragenden Erdbeersorten legen in unseren Breiten die Blüten für das kommende Frühjahr etwa im September an, sobald Temperatur und Tageslänge einen kritischen Wert unterschreiten. Während die Tageslänge sich am jeweiligen Standort nicht verändert, haben wir einen Anstieg der Temperaturen durch den Klimawandel. Dadurch verschiebt sich der Zeitpunkt, an dem der Impuls zur Blütenanlage erfolgt, nach hinten.
Ist dieser Impuls einmal erfolgt, werden fortlaufend neue Blüten gebildet. Unterbrochen wird dieser Vorgang erst, wenn wieder ein kritischer, tieferliegender Temperaturwert unterschritten wird. Wir beobachten hier zwei unterschiedliche Phänomene, wobei dabei die Temperaturen in den Monaten Oktober bis Dezember entscheidend sind: Kommt es frühzeitig zu einem Wintereinbruch, ist die Blütenbildung beendet und der Ertrag wird dann im Sommer aufgrund der verminderten Blütenansätze nur mittelmäßig sein. Ist es in den Monaten Oktober bis Dezember dagegen relativ warm, wird fortlaufend eine Vielzahl von Blüten gebildet. In der nächsten Saison ist dann ein übermäßiger Fruchtbehang zu beobachten. Da aber die Blattmasse nicht beeinflusst wird, ist die Pflanze nicht in der Lage, die vielen Früchte ausreichend zu ernähren, so dass sie zu klein bleiben und oft auch wenig süß und aromatisch sind.
Wichtig zu wissen ist, dass jede Sorte spezifisch auf Tageslänge und Temperatur bei der Anlage der Blüten reagiert, und Temperaturansprüche hinsichtlich der Beendigung der Blütenbildung aufweist.
Wie beeinflusst die fehlende Kälte die Winterruhe der Erdbeerpflanzen?
Dr. Erika Krüger: Die Obstarten unserer Breitengrade, also auch die Erdbeere, gehen bei abnehmender Temperatur und Tageslänge in die Winterruhe, auch Dormanz genannt. Einerseits ist eine vollständige und tiefe Winterruhe erforderlich, damit die Pflanzen die möglichen tiefen Temperaturen im Winter überstehen können. Andererseits kann erst nach Erreichen einer bestimmten Kältesumme ein zügiger und gleichmäßiger Austrieb zum Vegetationsbeginn erfolgen.
Es existieren verschiedene Modelle, mit deren Hilfe die effektiven Kältestunden ermittelt werden können. Ein sehr einfaches Modell ist die Summierung der Stunden mit Temperaturen von 0 bis 7,2°C, negative oder höhere Temperaturen werden nicht berücksichtigt1.
Die Nicht-Befriedigung des sortenspezifischen Kältebedürfnisses hat vielfältige Folgen. Am auffälligsten ist der ungleichmäßige und verzögerte Austrieb. Bei Erdbeeren strecken sich z.B. die Blatt- und Blütenstiele unzureichend und die Blätter weisen eine geringe Größe auf. Damit sind das gesamte vegetative Wachstum sowie die Photosyntheseleistung der Pflanzen beeinträchtigt. Eine ungleiche Blüte- und Reifezeit, ein verringerter Fruchtansatz, eine verringerte Fruchtgröße und damit ein geringerer Ertrag und ein hoher Anteil deformierter Früchte können weitere Folgen sein.
Derartige Effekte waren in Deutschland in den Wintern 2006/07 und 2014/15 bei einigen Erdbeerensorten zu beobachten, so z.B. bei ’Elsanta’. Sie hat ein hohes Kältebedürfnis von rund 1300 Stunden, bei wechselnden Temperaturen wird in Südfrankreich sogar von mehr als 1500 Stunden ausgegangen.
Die erforderliche Kältesumme ist sortenspezifisch und muss jeweils experimentell ermittelt werden. Als Faustregel kann man annehmen, dass Sorten die in Süditalien oder Spanien gezüchtet wurden, ein geringeres Kältebedürnis haben als Sorten, die z.B. in Deutschland oder den Niederlanden entstanden sind.
Außerdem ist in diesem Zusammenhang noch wichtig zu erwähnen, dass Perioden mit abwechselnd kühlen und milden Temperaturen die Befriedigung des Kältebedürfnisses beeinflusst und meist zu einer Erhöhung der erforderliche Kältesumme führt.
Können Sie Empfehlungen aussprechen, wie die Erdbeeranbauer diesen Phänomenen am besten begegnen können?
Dr. Erika Krüger: Ganz wichtig, insbesondere für den Freiland- und den frühen Tunnelanbau, ist die Wahl der am Standort angepassten Sorten. Das heißt, jede Region muss immer wieder schauen, welche Sorten jedes Jahr sichere Erträge erbringen. Die Zeiten, wo nur eine Sorte wie ‘Elsanta‘ deutschlandweit und über Jahrzehnte angebaut wurde, wird wahrscheinlich vorbei sein. So gibt es zum Beispiel in Italien bereits jetzt im Süden ein ganz anderes Sortenspektrum als im Norden. Was wir brauchen, sind Sorten, die keine engen Grenzen in ihren Temperaturansprüchen haben, so dass die in unseren Breiten vorkommenden von Jahr zu Jahr unterschiedlichen Temperaturereignisse sie nicht zu stark beeinflussen.
Beim Anbau im Tunnel ist es wichtig, dass der Tunnel nicht zu früh geschlossen wird, damit die Pflanzen ausreichend in die Winterruhe gehen und in den folgenden Wochen ausreichend Kältestunden sammeln können, damit Wachstum und Ertrag in der kommenden Saison nicht beeinträchtigt sind.
Sie arbeiten aktuell mit in dem EU-finanzierten Projekt „GoodBerry“. Was genau untersuchen Sie in diesem Projekt?
Dr. Erika Krüger: Ziel des Projektes ist, die Interaktion von Genetik und Umweltbedingungen zu untersuchen, um Sorten züchten zu können, die besser an die zukünftigen Bedingungen angepasst sind. Neben der Erdbeere werden in dem Projekt auch Himbeeren und Schwarze Johannisbeeren erforscht.
Der Klimawandel wird simuliert, indem gleiche Sorten - und im Falle von Erdbeeren auch Sämlinge eine extra für GoodBerry durchgeführten Kreuzung - an verschiedenen Standorten von Nord- bis Südeuropa angebaut werden. Beabsichtigt ist, insbesondere die Blütenanlage und-bildung sowie Eintritt- und Austritt aus der Winterruhe phänologisch, also im Erscheinungsbild der Pflanzen, und auf genetischer Ebene zu erforschen. Wenn die hieran beteiligten Gene bekannt sind, könnte man hierfür Marker entwickeln, die die zukünftige Züchtung angepasster Sorten erleichtern würde.
Neben Blütenanlage und Winterruhe sollen aber auch die genetischen Hintergründe für die Fruchtqualität, u.a. Fruchtstabilität, Zucker:Säure-Verhältnis und Aroma sowie die Gehalte sekundärer Inhaltsstoffe, die besonders für die menschliche Gesundheit wichtig sind, untersucht werden.
Europaweit sind 19 Partner am Projekt beteiligt, neben Forschungseinrichtungen u.a. auch Züchter. In Deutschland sind neben der Hochschule Geisenheim auch die Technische Universität München, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen und Hansabred als Züchtungseinrichtung beteiligt. An der Hochschule Geisenheim selbst werden insbesondere die genetischen Hintergründe der Blütenbildung sowie Fruchtinhaltsstoffe erforscht. Beteiligt hieran sind neben dem Institut für Obstbau auch die Institute Botanik sowie Weinanalytik und Getränkeforschung.
Vielen Dank für das Gespräch.
1Dieses Modell ist für Pfirsich erarbeitet worden und weit verbreitet, gibt die physiologischen Bedingungen der Erdbeere aber nicht vollständig wieder.
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