Ein Pool wertvoller Informationen für die Winzer
Prognosemodelle, die das zeitliche Auftreten von Krankheiten berechnen, unterstützen die Winzer bei der Entscheidung, den richtigen Termin für eine Pflanzenschutz Anwendung zu finden und dadurch ihre Trauben gesund zu halten. Solche Prognosedaten stehen beispielsweise auf der Website der Hochschule Geisenheim zum Abruf zur Verfügung. Das Wetterfax für den Weinbau geht als besonderes Informationsmedium für die Winzer im Rheingau einen Schritt weiter, weil es die Resultate solcher Prognosemodelle aufnimmt und zusätzlich durch die Rebschutz-Empfehlungen der Offizialberatung ergänzt.
Entstanden ist dieser Service aus der Zusammenarbeit der Hochschule Geisenheim (HSG) mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) und dem Regierungspräsidium Darmstadt (RP DA), Dezernat Weinbau.
Wir haben uns zu einem Gespräch mit Ottmar Baus, zuständig für den Bereich Phytomedizin der HSG, Hans-Helmut Schmitt vom DWD und Berthold Fuchs, dem Weinbauberater des RP DA getroffen, um über die Vorteile solcher Informationen für die Winzer und über aktuelle und zukünftige Herausforderungen im Weinbau zu diskutieren.
Wie ist es zur Kooperation von Deutscher Wetterdienst, Hochschule Geisenheim und RP Darmstadt, Dezernat Weinbau gekommen?
HH Schmitt: Wir wollten den Winzern Informationen an die Hand geben, die ihre Arbeit vereinfachen. Deshalb haben wir gemeinsam 1991 ein Pilotprojekt in Oestrich-Winkel ins Leben gerufen, um zu überprüfen, inwiefern die Vorhersagen unserer Prognosemodelle für das Auftreten bestimmter Krankheiten tatsächlich in der Realität nachvollziehbar sind.
B Fuchs: Aus diesen ersten Erfahrungen wurde schon sehr schnell die Idee geboren, Kenntnisse, Erfahrungen und Empfehlungen der beteiligten Institutionen zu bündeln und den Winzern einen umfassenden und regelmäßigen Infoservice in Form eines „Wetterfax“ anzubieten.
Bedeutet das, die Zusammenarbeit läuft seit mehr als 20 Jahren unverändert?
O Baus: Es gab in der Zeit natürlich personelle Veränderungen. Außerdem hat der DWD im Jahr 2014 die Betreuung der Wettermessstationen im Rheingau an die Hochschule Geisenheim abgegeben. Es musste deshalb in die Infrastruktur investiert werden. Seitdem können wir die Stationen problemlos warten und die Daten der Messstationen von hier aus direkt abrufen.
Wo findet der Winzer diese Informationen?
O Baus: Wissenstransfers steht für uns als als Lehr- und Forschungseinrichtung ganz oben auf der Agenda. Allein durch die 13 Messstandorte können wir den Winzern lokal präzise Vorhersagen anbieten. Im Wetterfax finden sich die Werte der Peronospora-Prognose für diese Standorte. Auf unserer Website sind die Wetterdaten der Stationen abrufbar. Zusätzlich finden sich auf unserer Website eine Oidium Prognose und via Monitoring dokumentieren wir das Auftreten von Kirschessigfliege, Rebzikade und Traubenwickler.
B Fuchs: Das Wetterfax kann von jedem Interessierten für eine Jahresgebühr von 70,00 € abonniert werden. Der Versand erfolgt ausschließlich als E-Mail oder per Fax. Nur auf diesem Weg können Winzer an unser breit gefächertes Angebot mit Informationen zu Wetter, Prognosen und Rebschutzempfehlungen kommen. Andere Veröffentlichungswege bestehen derzeit nicht.
In welchem Rhythmus erscheint das Wetterfax?
B Fuchs: Diese Empfehlungen versenden wir in der Saison, also ab Mitte April, zweimal die Woche, am Montag und am Donnerstag. Nach Ende der Lese und Abschluss der Mostbehandlungen reduzieren wir die Aussendungen auf einmal pro Woche und behandeln darin dann Themen wie Rebschnitt, Düngung, Förderung oder geben Hinweise auf Winterveranstaltungen und Seminare.
Welche Vorteile hat der Winzer durch die zusätzlichen Informationen?
B Fuchs: Idealerweise nimmt uns der Winzer als fachlich profunde Stimme außerhalb seines in der Saison oftmals stressigen Alltags wahr. Wir empfehlen jede Woche, was an Kultur- bzw. Pflanzenschutzmaßnahmen zur Traubengesundheit, also zum Schutz vor Oidium, Peronospora, Botrytis oder anderen Schaderregern zu tun ist. Selbstverständlich erstellen wir unsere Hinweise auf Basis der Guten fachlichen Praxis (GfP), das heißt, wir berücksichtigen in unseren Empfehlungen Aspekte wie ein vernünftiges Anti-Resistenzmanagement, den Einsatz abdrift-mindernder Applikationstechnik – sowie Bienen- und Raubmilbenschutz.
Wieviel Abonnenten haben Sie im Rheingau?
B Fuchs: Unser Angebot gilt primär für den Rheingau, dort haben wir ca. 600 Weinbaubetriebe, von denen mehr als 60% das Wetterfax abonniert haben. Dazu kommen aber auch noch einige Betriebe aus den angrenzenden Weinbaugebieten Hessische Bergstraße, Mittelrhein, Nahe und Rheinhessen.
Interessieren sich biologisch wirtschaftende Winzer für die Informationen?
B Fuchs: Das Wetterfax richtet sich an Betriebe, die integriert wirtschaften. Das schließt die Empfehlung für biologische Pflanzenschutz-Produkte aber nicht aus. Weil Biowinzer in der Bewirtschaftung bestimmten Auflagen unterliegen, können sie unsere Empfehlungen unmittelbar sicher etwas weniger umsetzen. Aber das Gesamtpaket Wetterfax ist auch für Öko-Winzer sehr hilfreich und deshalb gehören viele ökologisch wirtschaftende Betriebe ebenfalls zu unseren Abonnenten.
O Baus: Die Resultate der Prognosemodelle und des Monitorings auf unserer Website stehen allen Interessierten zur Verfügung. Wir würden uns wünschen, dass integriert und biologisch wirtschaftende Betriebe noch weiter aufeinander zugehen. Die Ergebnisse aus unseren Versuchen zeigen, dass die Winzer beider Bewirtschaftungsformen weiter voneinander lernen können.
Inwiefern berücksichtigen sie das Thema Klimawandel in ihren Prognosen und Empfehlungen?
HH Schmitt: Der Klimawandel ist selbstverständlich ein Thema beim DWD. Fest steht, dass es in Deutschland immer wärmer wird. Wetterextreme nehmen zu, einzelne Wetterlagen scheinen länger anzuhalten. Die Variabilität (Schwankungen von Jahr zu Jahr) bleibt aber sehr hoch. In der Wettervorhersage werden diese Veränderungen berücksichtigt. Wir erläutern aber nicht explizit das Thema Klimawandel.
O Baus: Das Thema Klimawandel ist komplex und muss weiter erforscht werden. Im Moment planen wir Projekte an der Hochschule, die sich mit den Auswirkungen der höheren CO2 Anreicherung in der Atmosphäre auf den Weinbau beschäftigen. Und wir schauen uns Wetterparameter in Extremjahren an und versuchen sie in Korrelation mit Pflanzenkrankheiten zu setzen.
Sind ihnen vergleichbare Beratungs-/Informationsangebote für die Winzer in Deutschland im Ausland bekannt?
O Baus: Durch unsere Arbeiten an der Hochschule habe ich immer wieder die Chance, in anderen Ländern zu arbeiten, Vorträge zu halten und Veranstaltungen zu besuchen. Dort referiere ich hauptsächlich zu Rebschutz-Themen. Eine vergleichbare Qualität der Beratung habe ich in Südtirol, Luxemburg, Österreich und der Schweiz wahrgenommen. Besonders in südlichen Ländern musste ich jedoch feststellen, dass Winzer sich häufig für viel Geld private Beratungsleistungen eingekauft haben. Durch das Informationsangebot und die breite Beratung unserer Winzer in den Weinbaugebieten in Deutschland fühlen wir uns den Herausforderungen besser gewachsen.
Was wäre aus ihrer Sicht eine echte Innovation im Weinbau?
O Baus: Im Moment fühlen wir uns gut aufgestellt, was den Schutz der Reben vor pilzlichen Schaderregern oder vor Schädlinge wie den Traubenwickler anbelangt. Einen Innovationsschub brauchen wir vor allem beim Schutz vor invasiven Insekten, Vektoren, Virosen oder der Kirschessigfliege.
Vielen Dank für das Gespräch!
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