Besondere Rebschulen in Deutschland
Wie die Vermehrung historischer und die Züchtung neuer Rebsorten zur Traubengesundheit beitragen
Heunisch und Arbst sind Rebsorten aus der Vergangenheit, Cabernet Blanc wurde als neue Sorte im Jahr 2014 durch das Bundessortenamt zugelassen. Winzer haben heutzutage ein großes Sortenspektrum zur Auswahl, mit dem sie geschmacklich vielfältige Weine produzieren können.
Grundsätzlich entscheidet die passende Rebsorte für den jeweiligen Standort, neben der Witterung und den durchgeführten Kulturmaßnahmen, in welcher Qualität die Beeren nach der Lese zur Verarbeitung in den Keller kommen. Neue Rebsorten verschaffen Winzern mehr Optionen, ihre Trauben gesund zu halten.
Projekt historische Reben
Die Rebschule Martin in Gundheim, Rheinhessen, arbeitet zusammen mit Andreas Jung, Biologe, Ampelograph1 und Völkerkundler in einem Projekt über historische Rebsorten, die nachweislich bei uns angebaut wurden, bevor der Weinbau durch die Römer eine breite Bedeutung erlangt hat.
Die auf verschiedene Weise wiedergefundenen, historischen Rebsorten werden entweder durch Untersuchung des Genotyps, meistens jedoch anhand des Phänotyps bestimmt und in eine aktuelle Systematik gebracht. Nach der Bestimmung kommen die Reben in die Vermehrung und stehen bei ausreichendem Bestand Winzern zum Versuchsanbau zur Verfügung.
Alle weiteren Rebsorten finden Sie auf www.historische-rebsorten.de
Historischer Rebsorten und ihr Beitrag zur Traubengesundheit
Neben der Erweiterung der geschmacklichen Vielfalt eignen sich die Reben weinbaulich besonders, weil sie autochthon, das heißt hinsichtlich ihres Habitus und ihrer Physiologie ideal für unsere Weinbaugebiete angepasst sind. Betrachtet man speziell den Aspekt der Traubengesundheit, ist beispielsweise die Sorte Fränkischer Burgunder durch eine relativ kurze Reifephase gekennzeichnet. Dadurch verringert sich gleichzeitig auch der Zeitraum, in dem die Beeren potentiell durch Fäulen befallen werden können. Die relativ dicke Beerenschale trägt zudem zum besseren Schutz vor Botrytis bei und bietet Potential für die Abwehr der Kirschessigfliege. Als weiteres Beispiel sei hier die Rebsorte Grüner Adelfränkisch aufgeführt. Sie zeichnet sich durch ihre Lockerbeerigkeit aus, ein Merkmal, das ebenfalls die Anfälligkeit gegenüber Fäulen herabsetzt.
Historische Rebsorten haben ihre weinbauliche Eignung für unsere Gebiete über die Jahrtausende bewiesen. Im Projekt in Gundheim geht es darum, sie im Anbau wieder verstärkt zu etablieren und gemäß den heutigen Standards als Qualitätsweine auszubauen.
Von der Idee zur neuen Sorte
Im oben beschriebenen Projekt liegt der Fokus auf der stabilen, klongleichen Erhaltung der Eigenschaften alter Rebsorten. Im Unterschied dazu setzt das Team vom Schweizer Züchter Valentin Blattner und dem pfälzischen Veredler Volker Freytag seit Ende der 1990er Jahre bewußt auf die Neukombination verschiedener Rebsorten.
Ausgangsmaterial für Neuzüchtungen sind Rebsorten mit einer natürlich hohen Pilztoleranz, deren genetischer Ursprung z.B. in Asien liegt. Diese oft mehrfach in sich gekreuzten Resistenzpartner werden mit den klassischen europäischen Rebsorten zusammengebracht und ergeben Piwi -Reben (Pilz-widerstandsfähige Reben). Die Züchtung erfolgt traditionell durch die Übertragung der Pollen der Vaterrebe auf die Fruchtnarbe der Muttersorte. Der entstehende Kern wird im Gewächshaus zum Sämling ausgepflanzt. Wichtige Eigenschaften, die in den neuen Sorten erkennbar werden und nach denen selektiert wird, sind neben der Pilztoleranz z.B. eine aufgelockerte Rispenstruktur, die Festigkeit der Beerenhaut oder die Spätfrosttoleranz. Vielversprechende Sämlinge werden auf eine Unterlage gepfropft und in rebschuleigenen Versuchsflächen im Freiland ausgepflanzt. Erst wenn ein Sämling unter Berücksichtigung dieser Aspekte in mehreren Jahren erfolgreich selektiert wurde, werden die Trauben im Versuchsmaßstab zu Weinen ausgebaut. Wenn sich die gewonnene Weinqualität beständig gut in mehreren Verkostungen bestätigt, werden die Reben in zunehmend größeren Maßstab im Anbauversuch an- und ausgebaut. Das ist in groben Zügen der Weg von einer Kreuzung bis zur neuen Sorte. Ein gelungenes Beispiel für eine Neuzüchtung ist die Sorte Cabernet Blanc: nach dem Kreuzungsjahr 1991 startete man mit der Sämlingsauslese. Die Zulassung zur offiziellen Sorte erfolgte 23 Jahre später im Jahr 2014. In diesem Zeitraum pflanzte, bonitierte und selektionierte die Rebschule insgesamt ca. 40.000 Sämlinge.
Bilder mit freundlicher Genehmigung der Rebschule Freytag zur Verfügung gestellt
Neue Sorten – Qualität im Glas mit Zusatznutzen
Die genannten Zahlen zeigen auf, welch immenser Aufwand in der Auslese neuer Sorten liegt. Die Rebschule Freytag steht deshalb im Austausch mit den amtlichen Züchtungsstationen in Geisenheim und Siebeldingen, dem DLR Rheinpfalz, dem INRA2 in Frankreich, Instituten in Italien, San Michele und Österreich, Klosterneuburg, sowie der Universität von Minnesota, USA. Darin spiegelt sich auch das aktuell große Interesse innerhalb der internationalen Weinszene für neue Sorten.
Für die Winzer sind zwei Dinge entscheidend: Die neue Rebsorte soll einen eigenständigen, hoch qualitativen Wein liefern. Zum anderen sollen die Kulturmaßnahmen im Anbau und der damit verbundene Arbeitsaufwand verringert werden. Nur Sorten, die im Weinanbau und in der Weinbereitung als Fortschritt wahrgenommen werden, haben eine Chance im vielfältigen Weinmarkt.
Der Jahresverlauf in der Vermehrung
Weitere Informationen finden Sie hier:
1Ampelographie - Rebsortenkunde
2INRA - Institut national de la recherche agronomique