Schädlingsbekämpfung in Kartoffeln – die Herausforderungen steigen weiter
Im Kartoffelbau sind Blattläuse, als Saugschädlinge und Überträger von Viruskrankheiten, sowie der Kartoffelkäfer, als Fraßschädling, wirtschaftlich wichtige Schädlinge. Ihr (massenhaftes) Auftreten in den Beständen erfordert gezielte Pflanzenschutzmaßnahmen.
Viruskontrolle in Pflanzkartoffeln – Antiresistenzstrategien sind aktuell nicht mehr möglich
Die direkte Kontrolle von Kartoffelschädlingen mit Insektiziden gestaltet sich infolge der regulatorischen Rahmenbedingungen (abnehmende Verfügbarkeit von Wirkstoffen- bzw. Wirkmechanismen) und ansteigender Insektizid-Resistenz als zunehmend schwieriger.
Mit dem Anwendungsverbot der als bienengefährlich eingestuften Neonikotinoid-Wirkstoffe Clothianidin (Dantop®), Imidacloprid (Monceren® G) und Thiamethoxam (Actara®), fehlt seit Ende 2018 komplett eine leistungsfähige Wirkstoffgruppe mit der Indikation „Blattläuse als Virusvektoren“. Der Wirkstoff Pymetrozin (Plenum®50 WG) hat keine erneute Zulassung bekommen und kann in der Saison 2019 letztmalig angewendet werden. Darüber hinaus wird der Einsatz von Pirimicarb (Pirimor®Granulat) zur Kontrolle von Blattläusen und Virus-Vektoren nur eingeschränkt empfohlen, da es Wirkungslücken bei einigen Aphis-Arten, die in der Kartoffel wichtig sind, aufweist.
Dieser Schwund von Wirkstoffgruppen ist eine große Herausforderung für das Antiresistenz-Management. Für die Kontrolle der Virus-Vektoren sind auf absehbare Zeit effektiv nur zwei Wirkstoffgruppen (Pyrethroide, Pyridincarboxamide) verfügbar. Bei der Vektorenkontrolle im Pflanzkartoffelanbau ist damit eine wirksame und nachhaltige Anti-Resistenzstrategie nicht mehr umsetzbar. Dies hat auch der Fachausschuss „Pflanzenschutzmittelresistenz Insektizide“ in seiner letzten Sitzung so konstatiert (Erfahren Sie hier mehr dazu). Die kürzlich erfolgte Zulassung von Paraffinöl bedeutet keine Entlastung, weil dieses zur Kontrolle der Virus-Vektoren nur in Vorstufen- und Basispflanzgut zugelassen ist.
Etwas bessere Produktverfügbarkeit in den anderen Produktionsbereichen
Für Konsum-, Industrie- und Stärkekartoffeln ist die Wirkstoffverfügbarkeit gegen Blattläuse und Kartoffelkäfer gegenwärtig noch - etwas - besser. Zu deren Kontrolle sind Produkte aus drei Wirkstoffgruppen zugelassen (Pyrethroide, Pyridincarboxamide, B4-Neonicotinoide). Fachleute beschreiben dies als die erforderliche Mindestzahl unterschiedlicher Wirkungsmechanismen für ein effektives Antiresistenz-Management.
Wichtiger denn je: Antiresistenz-Management kann nur die Praxis umsetzen
Wie wichtig eine Resistenzvorbeuge ist, wurde in der jüngeren Vergangenheit sichtbar. Nach einer Phase mit nahezu ausschließlicher Anwendung von Pyrethroiden, wurden - insbesondere in Süd-Deutschland - Kartoffelkäferpopulationen in hohem Maße resistent gegen diese Wirkstoffgruppe. Folglich setzte die Praxis in den betroffenen Gebieten dann überwiegend andere Wirkstoffgruppen ein. In den Monitorings zeigte sich nach 4-5 Jahren ein Rückgang der Pyrethroid-Resistenz. In diesen Situationen ist ein Einsatz von Produkten dieser Wirkstoffgruppe wie z. B. Karate Zeon wieder möglich.
Bei der Schädlingsbekämpfung in Konsum-, Industrie- und Stärkekartoffeln sollte daher (gemäß Empfehlung des Fachausschuss „Pflanzenschutzmittelresistenz Insektizide“) eine Antiresistenz-Strategie unbedingt angewendet werden:
- Insektizid-Anwendungen auf das notwendige Maß begrenzen (Warndienste beachten).
- Werden mehrere Behandlungen notwendig sollte Wirkstoffgruppenwechsel vorgenommen werden; max. eine Behandlung je Wirkstoffgruppe.
- Bei gemeinsamen Auftreten von Kartoffelkäfern und Blattläusen Produkte mit den Wirkstoffen Thiacloprid oder Acetamiprid (B4) einsetzen.
- Wenn nur mit einer Anwendung je Jahr gerechnet wird, sollte der Wirkmechanismus zwischen den Jahren gewechselt werden.
Auf die Applikationsbedingungen achten
Minderwirkungen von Insektiziden beruhen nicht allein auf Resistenzen. Sie können auch durch Fehler bei der Anwendung bzw. ungünstige Applikationsbedingungen verursacht werden. Zur Absicherung der Insektizid-Wirkung gilt es, folgende Punkte zu berücksichtigen:
- Die Wasseraufwandmenge sollte mindestens 300 l/ha betragen.
- Keine Applikationen bei sehr hohen Temperaturen (Mittagshitze).
- Keine Anwendung von Pyrethroiden bei Temperaturen, die dauerhaft über 25°C liegen (Minderwirkung!). In diesem Fall Wahl anderer Wirkstoffgruppen.
Bienenschutz ist Pflicht
Auch bei der Schädlingsbekämpfung in Kartoffeln muss der Bienenschutz konsequent beachtet werden! Zwar sind Kartoffelblüten keine Nektar- oder Pollenquelle für Honigbienen. Daher werden in der Regel selbst blühende Kartoffelbeständen nicht von Honigbienen beflogen.
Es gibt jedoch Ausnahmen:
- Blühende Unkräuter im Kartoffelbestand
- Honigtau auf den Kartoffelblättern infolge starken Blattlausbefalls
Folgende Hinweise sind zu beachten, um den Bienenschutzes sicherzustellen:
- Bevorzugt Nicht-Bienengefährliche Produkte einsetzen.
- Niemals bienengefährliche Produkte (B1) oder Tankmischungen (Auflagen zu Mischungen von Insektiziden mit Fungiziden beachten) einsetzen, wenn die Bestände von Bienen beflogen werden
- Bei Überschreitung der Befallsdichte von 500 Blattläusen je 100 Fiederblätter ist eine Honigtaubildung möglich, die für Bienen als Nahrungsquelle attraktiv ist. In diesen Fällen dürfen keine bienengefährliche Produkte (B1) oder Tankmischungen eingesetzt werden.
- Abdrift auf blühende oder mit Honigtau behaftete Nachbar- bzw. Nichtzielpflanzen vermeiden (driftreduzierte Düsen benutzen).
- Um die Exposition der Bienen zu minimieren sollten notwendige Insektizid-Einsätze bevorzugt abends nach dem Bienenflug erfolgen.
Ausblick
Wie beschrieben, muss die Wirkstoffverfügbarkeit bei Insektiziden im Kartoffelbau als kritisch eingestuft werden. Trotz intensiver Bemühungen seitens der Hersteller ist nicht auszuschließen, dass in den kommenden Jahren weitere Produkte bzw. Wirkstoffe die Registrierung verlieren werden. Ob neue insektizide Wirkstoffe die strengen Zulassungskriterien in der EU meistern werden, bleibt abzuwarten. Für den Praktiker gilt es, den Insektizideinsatz auf das absolut notwendige Maß zu konzentrieren sowie die Empfehlungen zum Bienenschutz und zur Antiresistenzstrategien strikt einzuhalten.
Zugelassene Insektizide für den Kartoffelanbau
Wirkstoff | IRAC-Gruppe | Indikationen | Produkte | ||
Käfer | Läuse | Vektoren | |||
beta-Cyfluthrin | 3A | X | Bulldock | ||
Cypermethrin | 3A | X | X | Cyperkill | |
alpha-Cypermethrin | 3A | X | X | Fastac | |
Deltamethrin | 3A | X | Decis | ||
Esfenvalerat | 3A | X | X | Sumicidin | |
Lambda-Cyhalothrin | 3A | X | X | X | Karate Zeon u.a. |
Acetamiprid | 4A | X | X | Mospilan, Danjiri | |
Thiacloprid | 4A | X | X | Biscaya | |
Flonicamid | 29 | X | X | Teppeki | |
Pymetrozin | 9B | X | X | Plenum1) | |
Pirimicarb | 1A | X | X | Pirimor Granulat | |
Cyantraniliprole | 28 | X | Benevia | ||
Chlorantraniliprole | 28 | X | Coragen | ||
Parafinöl | X | Para Sommer | |||
Azadirachtin | UN | X | NeemAzal | ||
Bacillus thuringiensis subspecies tenebrionis | 11A | X | Novodor2) | ||
Spinosad | 5 | X | Spintor |
1) Aufbrauchfrist bis 30.01.2020 2) Aufbrauchfrist bis 30.10.2020
Quelle: www.bvl.bund.de