Fracking hält Rohölpreise in Schach
Saudis gehen vorerst von keiner Ölpreiserhöhung aus/ Euroraum könnte durch Währungverfall Exportimpulse erhalten
Die Rohölpreise fallen und fallen. Stoppt der Sinkflug bei 40 USDollar pro Barrel oder gar bei 30 USDollar? Derzeit wagt kein Analyst vorherzusehen, ob und wann ein Ende der Talfahrt erreicht ist. Innerhalb von sechs Monaten hat sich der Rohölpreis bisher halbiert. In Euro gerechnet ist Öl der Nordseesorte Brent mit rund 40 € mehr als 40 Prozent billiger als vor einem Jahr.
Der wichtigste Grund für das Überangebot am Rohölmarkt ist das überraschende Comeback der amerikanischen Ölindustrie. Seitdem die Vereinigten Staaten und Kanada die Fähigkeit erworben haben, den Rohstoff Öl mit unkonventionellen Methoden, dem sogenannten Fracking (hydraulic fracturing), aus der Erde zu bergen, werden die Märkte geflutet. Bei diesem Verfahren werden in tiefen Bohrlöchern mit Hilfe einer Flüssigkeit Risse im umliegenden Gestein erzeugt. Damit werden auch Ölvorkommen aus ansonsten undurchlässigen Gesteinsschichten gewonnen, die wie ein Schwamm aus dem Gestein herausgepresst werden.
Fracking muss sich rechnen
In den USA verzeichnen „Ölfracker“ aus Texas, North Dakota und Mississippi monatlich neue Förderrekorde und halten damit die Preise in Schach. Es sieht so aus, dass der weltweit wichtigste Rohölproduzent Saudi Arabien seine Rolle als Preisregulator am Ölmarkt eingebüßt hat. Ziel der Saudis ist es jetzt, so Marktanalysten, den Preis so lange niedrig zu halten, bis die amerikanischen Ölfracker aufgeben. Bisher ist das Fracking teurer als die herkömmliche Rohölgewinnung.
Amerikanische Ölexperten geben zu bedenken, dass Fracking zunehmend einer industriellen Produktion gleiche, die durch ständig sinkende Stückkosten charakterisiert werde. Außerdem haben viele größere Erzeugerfirmen in den USA sich mit Finanzderivaten gegen Ölpreisstürze abgesichert. Allmählich sieht es so aus, dass sich die arabischen Ölproduzenten mit einer neuen Realität abfinden. Es wird laut offenbart, dass ein Ölpreis von 100 USDollar je Fass wohl nicht mehr erreicht wird.
Günstiger Rohölpreis gut für Konjunktur
Verbraucher erfreuen sich derweil an niedrigen Sprit- und Heizölkosten. Volkswirte sehen derweil in den gesunkenen Energiepreisen einen Segen für die lahmende Konjunktur. Angekurbelt werden könnte diese auch im Euroraum durch den schwachen Wechselkurs. Die Talfahrt des Euro gegenüber dem US-Dollar hält an. Hinzu kommt die Entscheidung der Schweizer Nationalbank (SNB), die Kopplung Euro/Franken aufzuheben. Der Euro fiel infolge auf den niedrigsten Stand seit elf Jahren. Inwieweit der billige Euro die Wirtschaft im Euroraum zusätzlich ankurbelt, weil Exporte billiger werden, bleibt abzuwarten.
Brigitte Braun-Michels