Teller oder Tank – Nicht schon wieder!
Preishausse fördert Biospritpopulismus/ Rückgänge bei Ethanolproduktion und Tierbeständen zu erwarten
Immer, wenn die weltweiten Getreideernten drohen knapp zu werden, bricht die Diskussion um ein „altes“ Thema aus. Sollen Agrarprodukte für den Teller oder den Tank verwendet werden.
Nicht nur US-Politiker nutzen den Wahlkampf für diese emotional besetzte Diskussion. Auch in Deutschland verhelfen steigende Getreidepreise den Biospritverfechtern im Sommerloch in die Schlagzeilen. Dabei rücken nicht nur Organisationen wie Greenpeace, der BUND oder Foodwatch in den Fokus. Politiker, egal von welcher Fraktion, stellen plötzlich ebenso wieder die Frage, ob die Erzeugnisse von wertvollem Ackerland „versprittet“ werden dürfen, während gleichzeitig viele Menschen auf der Welt Hunger leiden. Bundesentwicklungsminister Dirk Nebel von der FDP forderte am Wochenende sogar einen Verkaufsstopp für den Biokraftstoff E 10. Letzterer ist seit Januar 2011 an deutschen Tankstellen erhältlich. Zudem müssen Mineralölkonzerne seit 2011 insgesamt 6,25 Prozent aller Kraftstoffe Bioethanol oder Biodiesel beimischen. So verlockend das Argument scheint, mit dem Einstellen der Biospritproduktion den weltweiten Hunger zu lösen, so wenig realistisch ist es.
Die Frage, wie es gelingt hungernde Regionen zu befriedigen, hängt nicht davon ab, dass produktionskräftige Länder nach alternativen Verwendungsmöglichkeiten gesucht und diese auch gefunden haben. Wie sollte man sich sonst erklären, dass die Menschen in Entwicklungsländern auch nicht satt geworden sind, als die weltweiten Lagerstätten prall gefüllt waren? Wer sich sachlich mit Entwicklungspolitik beschäftigt weiß, dass es bei diesem Thema nicht um ein Erzeugungs- sondern ein Verteilungsproblem geht.
Die umweltpolitische Dimension der Biospriterzeugung darf zudem nicht vernachlässigt werden. Erneuerbare Energien wurden und werden gefördert, weil der Kohlendioxidausstoß reduziert und die Welt unabhängiger von der knappen und teuren Ressource Erdöl werden will. Wie glaubwürdig bleiben Politiker, wenn Sie diese Umweltziele in einer knapp versorgten Saison, die sich in einem halben Jahr schon wieder anders darstellen kann, über den Haufen werfen?
Dass die Politik ihren seit Jahren eingeschlagenen umweltpolitischen Kurs jetzt plötzlich dreht, erscheint eher zweifelhaft. Für die EU spielt die Biospriterzeugung, die nur drei Prozent der Ernteproduktion verbraucht, ohnehin eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Mit rd. 280 Mio. t Getreide, welche die EU-Kommission für das Wirtschaftsjahr 2012/13 erwartet, werden die hiesigen Läger zudem erst einmal gut gefüllt.
Anders stellt sich die Situation in den USA dar. Hier werden 40 Prozent der Maisernte versprittet, was die Bilanz weltweit erheblich belastet und eine der Ursachen für die gestiegenen Preise darstellt. Hier kommt der Markt politischen Maßnahmen zuvor. Da Mais extrem teuer geworden ist, haben viele US-Fabriken die Ethanolproduktion erst einmal auf Eis gelegt. Auch bei den Tierbeständen sind Produktionsrückgänge als Folge der verteuerten Futtermittel zu verzeichnen. Das dürfte sich in den nächsten Monaten von der Nachfrageseite in der Bilanz und vermutlich auch den Preisen bemerkbar machen. Politische Reaktionen haben sich dann erübrigt.
Hiesige Erzeuger dürfen sich, trotz aller Diskussionen über stabile Preise freuen. Immerhin können Landwirte für ihren Weizen zwischen 230 bis 250 €/t realisieren. Auf diesem Niveau hat sich zur Zeit ein stabiles Fahrwasser entwickelt. Durch anhaltende Berichte über Trockenheit, die jetzt auch aus Australien vermeldet wird, scheint dieser Kurs sich vorerst fortzusetzen. Nicht vergessen werden sollte jedoch, dass der Markt in stabilen Preisphasen immer für Korrekturen anfällig ist. Hält man sich obige Argumente vor Augen, kämen diese nicht von ungefähr.
Brigitte Braun-Michels