Rohöl als Wirtschaftsindikator
Wenn das schwarze Gold teuer ist, geht es der Wirtschaft gut / Die Rechnung geht zur Zeit nicht auf.
Rohöl ist der wichtigste an der Börse gehandelte Rohstoff der Welt. Weil Öl in der Wirtschaft und für private Haushalte die „Antriebsenergie“ liefert, ist die Höhe des Ölpreises ein Indikator für die Lage der Weltwirtschaft.
Läuft es in der Wirtschaft gut, zieht die Nachfrage an und der Preis für das schwarze Gold steigt. Steht es schlecht um die wirtschaftliche Lage, verhält es sich genau umgekehrt – normaler Weise!
In den amerikanischen Öllagerstätten sind die Tanks voll und die Nachfrage bleibt verhalten. Allenfalls die Spannungen am Persischen Golf könnten das Angebot belasten. Wenn es im Iran zum Militäreinsatz kommen sollte, könnten die Ölpreise sogar noch weiter durch die Decke gehen, vermuten Analysten.
Die wichtigen Preistreiber sind aber an anderer Stelle zu suchen. Allem voran stehen die „Aktivitäten“ an den Finanzmärkten. Mit der anhaltenden Lockerung der Geldpolitik bringt die amerikanische Notenbank (FED) „den Alkohol zur Party“ und sorgt für einen gestiegenen Risikoappetit der Finanzanleger. Das gleiche trifft für das Handeln der Europäischen Zentralbank (EZB) zu. Jetzt wird, vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, weiterhin Geld in die Krisen geschüttelten EU-Länder zu pumpen.
Über die Verwendung in der Energieschiene korrelieren die Agrargüter mittlerweile sehr eng mit dem Rohöl. Am Wochenende haben sie sich demzufolge dem Aufwärtstrend am Rohöl- und Aktienmarkt eins zu eins angeschlossen.
Zu Wochenbeginn schlägt die Stimmung an den Agrarmärkten um. Das hat aber weniger mit der Wirtschaft, als eher mit technischen Signalen des Marktes zu tun. Nach Aufwärtstrends stehen Korrekturen auf der Tagesordnung, wenn nachhaltige die Knappheit fördernde Informationen ausbleiben.
Unterstützt wird die Verschnaufpause durch den saisonalen Erntedruck, der sich jetzt beim US-Mais und der Sojabohne einstellt. Eine erwartete gute Ernte in Südamerika und „Befürchtungen“, dass die Sojafläche noch weiter anwächst, geben dem Markt zusätzliche Dämpfer. Weizen wird durch Ertrags fördernde Regenfälle in den USA und Australien gedämpft.
Mengenmäßig halten Marktbeteiligte die Verschnaufpause jedoch für begrenzt. Auch die neuen Zahlen aus dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium (USDA) untermauern weltweit enge Bilanzen, vor allem bei Mais und Soja. Ob diese durch größere Erntemengen in Südamerika verbessert werden können, bleibt zweifelhaft.
Wetterphänomene, unter denen vor allem die Erzeuger auf der Südhalbkugel zu leiden haben, sorgen fast jedes Jahr dafür, dass die Ernteerwartungen für diesen Teil der Welt zurückgenommen werden müssen. Außerdem bleibt die Nachfrage bisher anhaltend hoch.
Wesentlich unberechenbarer ist die wirtschaftliche Situation für den Markt. Die aktuelle Kauflaune an den Börsen hat mit wirtschaftlicher Stabilität nichts zu tun, im Gegenteil. Die Arbeitslosenquote in den Vereinigten Staaten hält sich hartnäckig bei 8 Prozent. Dazu droht ein Rückgang der Unternehmensgewinne. Viele Länder auf dieser Welt sind hoch verschuldet und/oder befinden sich bereits in der wirtschaftlichen Rezession. Marktkritiker stellen sich immer lauter die Frage, wohin Europa wirklich steuert und wie die Weltwirtschaft die zunehmende Verschuldung handeln soll.
Schon zu Wochenbeginn deutet sich an, dass die aktuelle Party zu Ende geht. Vorläufig sieht es zwar weiter danach aus, dass für neue Aktivitäten der Alkohol nachgeliefert wird, aber irgendwann folgt der Kater. So viel ist sicher.
Teilnehmer am Agrarmarkt sind nicht umsonst durch die derzeitige Marktlage verunsichert und bleiben mit Vorratskäufen zurückhaltend. Für Abgeber bleibt es bei der Strategie einer überlegten Preisabsicherung. Die sollte jetzt für auch 2013 in Angriff genommen werden.
Brigitte Braun-Michels