Neues Börsenfeuer am Getreidemarkt
Wettermärkte sorgen in Chicago und Paris für Aufgelder/ Aufwärtstrend nicht abzusehen
Seit Mitte letzter Woche haben sich die Getreidemärkte an den Börsen wieder „gedreht“. Auslöser sind die für diese Jahreszeit typischen Wettermärkte. In den USA ist es für den Winterweizen zu trocken. Auch in Südrussland und Teilen der Ukraine fehlt der Regen. Selbst aus Kanada und Nordchina werden erste Folgen fehlender Niederschläge beobachtet.
Russische Agenturen rechnen damit, dass die Getreideausfuhr aus Russland in der Saison 2012/13 um rd. 28 Prozent auf 20 Mio. t zurückgeht. Für die EU schlägt, bei ohnehin knapper Bilanz, die Auswinterung stärker als erwartet zu Buche. Die Rate der Endbestände zum Verbrauch liegt beim Weizen ohnehin nur bei 10 Prozent. Das französische Analystenhaus Strategie Grains hat die EU-Getreideernte, im Vergleich zur Vormonatsschätzung, um weitere 4 Mio. t reduziert. Beim Weichweizen werden mit 122,7 Mio. t rd. 4,2 Mio. t weniger erwartet, als noch im April angenommen.
Am größten sind die Auswinterungsschäden in Deutschland, Frankreich und Polen ausgefallen. Das statistische Bundesamt beziffert den deutschen „Winterausfall“ beim Weizen auf minus 9,5 Prozent (2,87 Mio. ha) und bei der Gerste auf minus 8 Prozent (1,08 Mio. ha).
An den Börsen haben Fonds die „Wetterängste“ genutzt, ihre Short Positionen mit Ware gegen zu decken und damit den Kursen in Chicago Feuer gegeben. Charttechnisch haben sich die Notierungen am Freitag aus dem sogenannten „gleitenden Durchschnitt“ herauskatapultiert. Ob diese Entwicklung sich als Aufwärtstrend entpuppt, bleibt abzuwarten. Auch an der Pariser Matif werden die Wetterprämien für die neue Ernte umgesetzt. Weizen (Nov. 12) hat die Marke von 200 €/t sicher nach oben durchbrochen und setzt den Trend zu Wochenbeginn ab 216 €/t fort.
Die Teilnehmer am deutschen Kassamarkt hat die jähe Wende der Börsenpreise „kalt erwischt“. Nachdem die Futtermittelindustrie sich vom Markt zurück genommen hat, sind die Ideen für Restpartien aus der alten Ernte um bis zu 15 €/t nach unten gepurzelt. Während Weizen in Mitteldeutschland durch die Bank mit 220 €/t den Besitzer gewechselt hat, waren zuletzt nur noch 205 €/t realisierbar. Jetzt wird gerätselt, wie viel Ware tatsächlich noch verfügbar ist. Mit dem Preisverfall hat sich unverhofftes Angebot gezeigt und zusätzlich „Druck gemacht“. Marktteilnehmer vermuten auf der anderen Seite, dass sowohl Mühlen, wie auch Mischer noch Ware zum Anschluss an die neue Ernte brauchen.
Wie viel Impulse der Getreidemarkt bis zur Ernte noch von Wetter und Co erhält, bleibt hoch spekulativ. Erzeuger, die noch alte Ernteware im Lager haben, sollten gut überlegen, ob es sich wirklich lohnt, Ware bei den derzeit attraktiven Preisniveaus mit ins neue Erntejahr zu nehmen.
Brigitte Braun-Michels