Lieber den Spatz in der Hand ... !
Preisentwicklung bis zur Ernte bleibt unsicher. Bisher scheint die Luft nach unten dünn.
Vor Beginn der Gerstenernte bleibt der Getreidehandel ruhig. Noch vor wenigen Wochen hatte vor allem die Futtermittelindustrie für Stabilität am regionalen Kassamarkt gesorgt. Dann kauften die Mühlen vor Ort zu. Mittlerweile ist Ruhe auf den Märkten eingekehrt und die Beteiligten stellen sich auf Nachschub aus der Ernte 2012 ein. Die große Unbekannte bleibt, wie die Preise die nächsten Monate „überstehen“!
Bisher zeichnet sich weltweit eine durchschnittliche Weizenernte ab. In den USA wird mit einer Abwärtsrevision der Winterweizenernte gerechnet. Seit der letzten Schätzung aus dem US-Ministerium (USDA) hat sich der Zustand der Winterweizenpflanzen deutlich verschlechtert. Einer Reuters-Umfrage zufolge dürfte sich das in einer Reduzierung der US-Endbestände niederschlagen. Auch in Australien wird mit einer geringeren Weizenernte gerechnet.
Beim US-Mais werden aufgrund der frühen Aussaat Trockenheitsschäden vermutet, die ein Wehrmutstropfen auf die insgesamt ausgedehnten Anbauflächen sind.
Über die möglichen Erntemengen in der Schwarzmeerregion besteht große Unsicherheit. Das trifft vor allem für Südrussland zu.
In Westeuropa ist die Getreideversorgung ohnehin knapp, so dass das Wetter sich keine weiteren Sperenzchen mehr erlauben darf. Die jüngsten Regenfälle in Frankreich und auch Deutschland haben immerhin für Entlastung gesorgt.
Am morgigen Dienstag liefert der USDA-Bericht neue Zahlen.
Aus Richtung der Finanzmärkte gibt es Entspannung. Nachdem die EU-Finanzminister rund 100 Milliarden Euro zur Sanierung der spanischen Banken zur Verfügung stellen, kommt es zu Wochenbeginn zu einer Aufhellung der allgemeinen Marktstimmung. Davon profitiert auch der Leitmarkt Rohöl. Wie lange die Hilfen für die spanischen Banken die nervösen Akteure an den Finanzmärkten jedoch beruhigen werden, bleibt abzuwarten. Die neuen Parlamentswahlen in Griechenland stehen vor der Tür. Die weitere Geldpolitik der Zentralbanken bleibt offen.
Landwirtschaftliche Erzeuger sind bisher „frohen Mutes“, was die weitere Preisentwicklung anbelangt. Die stabilen Preise der letzten Wochen haben sie genutzt, um sich zum größten Teil von noch verfügbaren Weizenbeständen aus 2011 zu trennen. Mittlerweile besteht eine Lücke von cirka 10 €/t zwischen den Preiserwartungen der Erzeuger und den Offerten der Abnehmer. Gerste und Qualitätsweizen liegen noch vereinzelt auf den Höfen. Erstere dürfte so kurz vor der anstehenden Ernte wenig Preisaufschwung erfahren. Beim Weizen sieht die Situation anders aus. Die Ernte dürfte in etwa vier Wochen starten. Damit bleibt den Wettermärkten Zeit, die Weichen noch in die eine oder andere Richtung zu stellen.
Marktbeteiligte sind sich darüber einig, dass für die zukünftige Preisentwicklung die Luft nach unten dünner ist, als die nach oben. 200 €/t wollen Erzeuger für ihren Brot-Weizen ab Hof mindestens realisieren. Das Maß für ihre Preisvorstellungen sollten sie aber nicht aus dem Auge verlieren. Trotz preisgünstiger Versorgungslage bleiben die Außenfaktoren, sprich Finanzmärkte, hoch unsicher. Manch einer könnte sich erinnern an das Sprichwort: „Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach!“
Brigitte Braun-Michels