Langes Warten auf bessere Zeiten
Wetter und Währung unterstützten die Kurse kurzfristig / Weltweit komfortable Ernten in Sicht / Leitmarkt Sojabohne setzt Schwächetrend fort
Die Kurse für die Agrarcommodities fahren Achterbahn. Nachdem vor allen die Weizennotierungen vor dem langen Pfingstwochenende Luft nach oben geholt haben, werden die Ölsaatenpreise von riesigen Sojabohnenernten gebremst.
Wetter und Währung sind die Antreiber an den Getreidemärkten. In Chicago (CBOT) preisen Analysten die Sorge ein, dass zu viel Feuchtigkeit auf den bald erntebereiten Feldern die Entwicklung von Pilzkrankheiten fördert. Im Norden der US-Plains werden sogar Frostschäden befürchtet. Seit Beginn des Monats Mai haben sich die US-Weizenpreise um insgesamt 11 Prozent erholt.
In Paris (Matif/Euronext) notiert die neue Ernte (Sept.) bei 183 €/t. Die Kurse sind in den letzten fünf Tagen um insgesamt 5 Euro gestiegen. Zusätzlich hilft europäischem Weizen der schwächelnde Euro, der Exporte aus der EU verbilligt.
In seiner aktuellen dritten Ernteschätzung 2015 hat der deutsche Raiffeisenverband (DRV) die Weizenproduktion mit knapp 27 Mio. t rund 3 Prozent unterhalb des Jahres 2014 geschätzt. Die Gerstenproduktion wird für Gesamtdeutschland auf knapp 11 Mio. t prognostiziert (- 5,4 % zum VJ). Beim Mais wird mit 4,8 Mio. t das Vorjahr um 6,1 Prozent unterschritten. Triticale, Hafer und Roggen bleiben vom Produktionsumfang etwa auf Vorjahresniveau.
Am deutschen Kassamarkt lösen die Börsenbewegungen keinerlei „Handlungen“ aus. Franko (angeliefert) Hamburg notiert B-Weizen für Mai um 184 €/t. Franko Rheinland und Westfalen ex Ernte um 178 €/t und für Okt./Dez. liegen die B-Weizenpreise franko rheinischer und westfälischer Mühlen um 185 €/t. A-Weizen wird franko Hamburg auf 191 €/t und franko Rheinland auf 194 €/t (Mai/Juni) beziffert.
Der gesamte Sojakomplex bleibt, trotz „technischen Aufflackerns“, im Abwärtstrend. Die Gründe sind fortgeschrittene US-Sojabohnenaussaat und weltweit hohe Ernteprognosen auch für die kommende Saison. Sollten sich diese bestätigen, wachsen die Bohnenlagerbestände wieder auf komfortable Niveaus. Vor Pfingsten erhielten die Kurse in Folge weitere Tiefschläge und starten zu Beginn dieser Woche nur wegen „technischem Luft holen“ mit grünen Vorzeichen.
In Paris haben sich die Rapsnotierungen auf 360 €/t (Aug. 15) leicht stabilisiert. Vor Ort wirken ein mäßiges Angebot am Kassamarkt, der schwache Euro und ein fester kanadischer Canolamarkt (Minusgrade bei der Aussaat). Dennoch bleibt die Euphorie begrenzt, weil der Leitmarkt Sojabohne im Schwächetrend starke Vorgaben macht.
Für Deutschland wird, bei verminderter Rapsaussaatfläche im Herbst (minus 6,1 Prozent auf 1,3 Mio. ha), auch die Produktion zur kommenden Ernte geringer ausfallen. In seiner Mai-Schätzung beziffert der DRV den Durchschnittsertrag auf 40 dt/ha (VJ 44,8 dt/ha) und die gesamtdeutsche Produktion auf 5,2 Mio. t (VJ 6,2 Mio. t).
Am Kassamarkt herrscht vor der Ernte nahezu Totenstille. Erzeuger, wie die aufnehmende Hand warten darauf, ob Wettermärkte weitere Impulse geben. Sollte Regen und Trockenheit weiter nur sporadisch wirken und sich keine größeren Katastrophen einstellen, wird es 2015 zum dritten Mal in Folge zu einer sehr guten Ernte kommen. Die Konsequenzen sind wachsende Lagerbestände und gedämpfte Preise. Erzeuger, die auf Nummer sicher gehen wollen, sollten aufflackernde Preise für weitere Teilverkäufe nutzten. Es sein denn, Liquidität und Lagerhallen machen ein „langes Warten“ auf bessere Zeiten möglich.
Brigitte Braun-Michels