Getreidepreisen fehlt jeglicher Impuls nach oben
Handel lehnt sich geduldig zurück / Landwirte geben keine Ware ab
Seit Mai dieses Jahres haben sich die Getreidenotierungen von rund 250 €/t an der Pariser Matif auf jetzt rund 180 €/t heruntergewirtschaftet. Wir haben uns mit Bernhard Dahmen, Leiter Einkauf Getreide und Verkauf Futtermittel bei der CropEnergies AG, über die aktuelle Handelssituation, zukünftige Preisparameter und seine Markteinschätzung unterhalten.
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Bernhard Dahmen, Leiter Einkauf Getreide und Verkauf Futtermittel bei der CropEnergies AG |
Herr Dahmen, in den letzten Monaten haben die Weizen- und Maiskurse kräftig Federn lassen müssen. Derzeit halten Wettermärkte die Kurse an den Warenmärkten in Schach. Welche Einflüsse sind für unseren Getreidemarkt von Bedeutung?
Bernhard Dahmen: Vereinfacht könnte man sagen: "Über allem schwebt der Mais". Überall auf der Welt gibt es sehr gute Ernten. In den USA beginnt jetzt die Maisernte und bisher spricht nichts gegen die hervorragenden Ertragsprognosen. Auch in der Schwarzmeerregion sind die Ernten bisher überdurchschnittlich. Eine Ausnahme wird wohl die EU sein, beispielsweise dürfte die Maisernte in Ungarn mit 6,5 bis 7 Mio. t geschätzter Maisproduktion weit unterhalb der optimistischen Erwartungen aus dem Sommer liegen.
Wie stellt sich der Maismarkt in der EU dar?
Bernhard Dahmen: Wir erwarten in weiten Teilen Europas und Deutschland aufgrund der relativ hohen Niederschläge eine verspätete Maisernte. In den Seehäfen kann allerdings relativ günstig Ware aus dem Schwarzmeerraum und aus Übersee bezogen werden. Farmer in Rumänien erhalten derzeit etwa 110 €/t ab Hof. Cif (angeliefert an Seehäfen) Rotterdam liegen die Kurse um 168 bis 172 €/t.
Kommt der Weizenmarkt nach der guten Ernte in Deutschland und der "vorläufigen" Versorgung der zweiten Hand im Herbst wieder in die Gänge?
Bernhard Dahmen: In Deutschland gibt es beim aktuellen Preisniveau keine Verkäufer für Weizen. Größere Mengen an Weizen sind am physischen Markt so gut wie nicht zu kaufen. Mais ist im Vergleich zu Weizen deutlich besser verfügbar. Auch in anderen europäischen Weizenerzeugerländern wie Frankreich und England halten sich die Bauern mit der Abgabe ihrer Ware zurück. Alle hoffen auf bessere Preise.
Wer bedient die Exportmärkte zurzeit und welche Chancen haben – aus ihrer Sicht – europäischer und deutscher Weizen, wieder mehr Fuß zu fassen?
Bernhard Dahmen: Am Exportmarkt ist europäische und deutsche Ware derzeit nicht wettbewerbsfähig. Außerdem sind die Frachtraten momentan ausgesprochen günstig, sodass auch Ware aus ferneren Regionen wettbewerbsfähig ist. Selbst mit guten Qualitäten kann deutscher Weizen in diesem Jahr nicht punkten, da diese fast überall gut sind. Die große Nachfrage nach Frachtraum vor allem in der Schwarzmeerregion könnte die Wettbewerbsmöglichkeiten für deutschen Weizen eventuell wieder etwas beflügeln.
Lohnt sich die Einlagerungswelle der Landwirte in diesem Jahr?
Bernhard Dahmen: Derzeit spricht nicht viel für steigende Getreidepreise, da der Markt durch die Schwarzmeerländer bestimmt wird und große Mengen vor dem Winter verladen werden. Aufgrund der hohen Verfügbarkeit rechne ich auch damit, dass aus der Ukraine nach der Winterpause noch Ware kommt. Diese Ware könnte unter Umständen mit einem steigenden regionalen Angebot zusammentreffen, was den Markt erneut unter Druck bringen könnte. Derzeit ist nicht erkennbar, was dem Markt eine nachhaltige Wende nach oben geben könnte.
Nutzen die Verarbeiter die momentane Preisflaute, um eigene Kapazitäten kräftig zu füllen und Preise abzusichern?
Bernhard Dahmen: Ich habe den Eindruck, dass die verarbeitende Industrie ebenfalls keine großen Preissteigerungen erwartet. Also warum große Bestände aufbauen? Außerdem gibt es liquide Terminmärkte, an denen die Preise jederzeit abgesichert werden können und physisch steht genug Ware hinter diesen Märkten.
Mühlen, Mischfutterhersteller wie auch Verarbeiter aus dem Non Food-Sektor haben sich aus der Ernte 2013 kurzfristig eingedeckt. Wie schätzen Sie die Höhe der Verarbeitung derzeit ein?
Bernhard Dahmen: Nach meinen Beobachtungen sind die Kapazitäten derzeit voll ausgelastet und die Verarbeitung läuft überall auf vollen Touren. Marktbeteiligte rechnen deshalb damit, dass reichlich Ware benötigt wird. Zu großen spürbaren Einkaufswellen wird es aber wohl nicht kommen, da kontinuierlich an den Terminmärkten Ware abgesichert wird und über Kontrakte regelmäßig fließt.
Wie stellt sich der Getreidemarkt in Deutschland aktuell dar?
Bernhard Dahmen: Mit einem Wort: Lustlos! Keiner will kaufen. Auch für spätere Termine gibt es keine Aufschläge. Wir haben nach wie vor einen inversen Markt. Eine Ausnahme ist die Futtergerste. Seit Beginn des Getreidewirtschaftsjahres wurde Gerste insbesondere von Ländern außerhalb der EU nachgefragt. Hier kann ich mir eine Verknappung und damit eine Annäherung an die Weizenpreise vorstellen.
Macht der Einkauf von Getreide für Sie als Vertreter der Erneuerbaren Energien Branche aktuell Sinn? Welchen Marktanteil hat Getreide derzeit in Deutschland und Europa am Einsatz im Energiesektor?
Bernhard Dahmen: Wir haben keinen Einkaufsdruck. Momentan werden gerade einmal 3 bis 3,5 Prozent der europäischen Getreideproduktion genutzt, um Bioethanol sowie proteinhaltige Lebens- und Futtermittel herzustellen. Bei der Diskussion um "Teller oder Tank" wird ja häufig vergessen, dass wir mit jedem Kubikmeter Bioethanol auch eine Tonne Proteinfuttermittel herstellen, das in Europa dringend gebraucht wird. Ohne den Bioenergiesektor wäre das Proteindefizit noch größer, denn wir füllen mit unseren Anlagen Teller, Tank und Trog.
Herr Dahmen, vielen Dank für das Gespräch.
Brigitte Braun-Michels