Getreidemärkte bleiben von weltweiter Nachfrage gestützt
Gespräch mit Tobias Moll, Handelsmakler bei der H. Jürgen Kiefer GmbH, über mögliche Preistendenzen am Getreidemarkt
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Tobias Moll, H. Jürgen Kiefer GmbH |
Wodurch werden die Weizen- und Mais-Kurse an der Börse in Chicago im Moment hauptsächlich gesteuert?
Tobias Moll: Kurzfristig betrachtet wurden die Futures in den letzten Tagen hauptsächlich durch das Auslaufen der alterntigen Maikontrakte beeinflusst. Investoren müssen raus aus ihren Positionen bzw. müssen ihre Positionen auf hintere Termine schieben. Das kann zu einer Menge Markttechnik (Preisschwankungen) führen und lässt sich kaum mit Hilfe der fundamentalen Lage, also der mengenmäßigen Versorgung, interpretieren.
Warum setzt sich die europäische Börse in Paris (Nyse, Euronext) vom internationalen Getreidemarkt ab?
Tobias Moll: Die Versorgungslage für Weizen ist in den USA eine völlig andere als in Europa. Während die USA relativ gut mit Weizen versorgt sind, sind die EU-Bestände eher knapp. Dieser Unterschied spiegelt sich preislich an den Börsen wieder. Die Börse in Paris (Nyse, Euronext) hat mittlerweile ein hohes Handelsvolumen. Deshalb gibt es inzwischen eine wechselseitige Beeinflussung der Handelsplätze in Chicago und Paris. In den letzten Monaten hatte die europäische Börse mit grünen Vorzeichen öfter die Nase vorn. Auf die Preisbildung in Übersee wirkte sich das positiv aus.
Wie wird die Versorgungssituation am Mais- und Weizenmarkt zur kommenden Saison eingeschätzt?
Tobias Moll: Nach aktuellen Schätzungen ist mit keinem signifikanten Aufbau der weltweiten Grobgetreidebestände (dazu gehört Futtergetreide und Weizen, aber nicht Reis) zu rechnen. Wenn alles aufaddiert wird, kommt es weder beim Weizen, noch beim Mais zu starken Veränderungen der Versorgungslage. Die lange Zeit seitwärts gerichtete Preisentwicklung spiegelt somit die Prognosen für die kommende Versorgungslage gut wieder. Im Moment zeigen die Märkte einen leichten negativen Touch. Ich würde das nicht überbewerten. Für die Märkte besteht, spekulativ betrachtet, kein triftiger Grund in die eine oder andere Richtung auszubrechen.
Wie ist das Verhalten der Finanzinvestoren im Moment am Weizen- und am Maismarkt zu beurteilen?
Tobias Moll: Die Finanzinvestoren zeigten in den letzten Wochen kein besonderes Kaufinteresse. Wenn es doch zu Käufen gekommen ist, handelte es sich häufig um Rückkäufe/Eindeckung der spekulativen Shortpositionen. Damit setzten die Finanzinvestoren im Moment auf fallende Weizen- und Maispreise. Stabilisiert werden die Märkte derzeit von den kommerziellen Marktteilnehmern, wie die verarbeitende Industrie und ähnliche. Die großen Investoren haben sich verstärkt auf die Sojabohne eingeschossen. Hier stehen die Kurse momentan unter dem Einfluss von Gewinnmitnahmen und weisen rote Vorzeichen auf.
Welche Rückschlüsse können wir aus dem aktuellen Chartbild für den Weizen- und den Maismarkt ziehen?
Tobias Moll: Die etwas lustlos wirkende seitliche Zickzackbewegung spiegelt recht gut die oben angesprochene Versorgungslage der Märkte wieder. Interessant wird es sein zu beobachten, ob sich das Sockelpreisniveau der alten Kampagne auch in der neuen Kampagne halten wird. Beim Matif-Weizen lag das Preistief in der letzten Saison bei rd. 170 €/t. Dass die Richtung der Preise seit Ende letzter Woche nach unten zeigt, dürfte eine Reaktion auf die Wettermärkte in den USA sein. Die Aussaatbedingungen für Mais sind optimal und die US-Weizenbestände entwickeln sich gerade prächtig. Diesmal lässt sich die Pariser Matif vom Preisdruck mitreißen. Gründe für einen nachhaltigen Preisdurchbruch sehe ich aber nach wie vor nicht. Die weltweite Getreidenachfrage hält flächendeckend an. Nicht vergessen dürfen Sie auch den inversen Preisverlauf. Die Preise für die neue Kampagne liegen untypischer Weise unter denen der laufenden Kampagne. Das spricht eigentlich dafür, dass es noch Luft nach oben gibt.
In den USA sind die Aussaatbedingungen für den Mais gut. Auch in der EU dürfte der Anbau weiter ausgedehnt werden. Könnte das die Stabilisierung des Getreidemarktes, die in der Vergangenheit vom Futtergetreide insbesondere vom Mais ausgegangen ist, trüben?
Tobias Moll: Man muss davon ausgehen, dass solche Entwicklungen (Flächenausdehnung etc.) schon in die Schätzungen für die Versorgungslage der neuen Kampagne eingepreist worden sind. Daher scheint eine Preisstabilisierung vorerst wahrscheinlich. Natürlich können, das ist sogar anzunehmen, in den kommenden Monaten Korrekturen dieser Schätzungen erfolgen. Das Gesamtbild könnte sich dann grundlegend verändern. In welche Richtung dies geschehen wird, ist allerdings schwer einzuschätzen.
In welche Richtung könnten die Preise beim Getreide kurzfristig laufen? Und: Welche Faktoren können in naher Zukunft Bewegungen auslösen?
Tobias Moll: Grundsätzlich bleiben die Märkte von der Nachfrageseite gut gestützt. Das trifft sowohl für den europäischen Markt, aber auch den Bedarf aus Übersee und Asien zu. Es sind weltweit gute Ernten nötig, um die Nachfrage weiterhin zu decken. Sporadisch auftretende Wettermärkte können, wie wir im Moment sehen, zu stärkeren Kursbewegungen führen. Sogenannte äußere Einflussfaktoren bleiben schwierig zu beurteilen. Einerseits werden langfristig weiterhin Inflationsängste an den Börsen ausgelebt. Andererseits sollte die allgegenwärtige, wenn auch etwas latente, Kriegsangst im mittleren Osten die Nachfrageseite stützen. Letztendlich wird auch China mit seinen untransparenten Versorgungsstatistiken eine unterstützende Rolle spielen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Moll.
Das Gespräch führte Brigitte Braun-Michels