Anleger haben Rohstoffmärkte in Scharen verlassen
Bodenbildung bei den Preisen könnte erreicht sein/ Kommende Ernte stellt neue Weichen
Obwohl die neue Erntemengenschätzung aus dem amerikanischen Landwirtschaftsministerium (USDA-Bericht) die Rekorderntemengen für Getreide und Ölsaaten, wie auch die stabilen Bestände weiterhin bestätigt, verlaufen die Notierungen stabil. In der letzten Woche sind die Sojabohnenpreise kurzfristig auf ein Drei-Monatshoch gestiegen. Die Weizennotierungen entwickeln sich im Trend aufwärts.
Ist das Tal der "Preistränen" durchschritten?
Dass der US-Sojabohnenpreis sich in der letzten Woche auf ein Drei-Monatshoch verteuert hat, wird von Analysten auf die trockene Witterung in Südamerika zurückgeführt. Weil sich die Aussaat dort verzögert, rechnen Marktbeobachter mit einer späteren Ernte und Vermarktungsvorteilen für die US-Bohne. Die Analysten von Oil-World haben die US-Sojabohnenexporte 2014/15 vor diesem Hintergrund auf knapp 50 Mio. t heraufgesetzt und liegen damit über den Schätzungen des US-Ministeriums. Außerdem helfen logistische Probleme in den USA und die Verkaufszurückhaltung der US-Farmer den Kursen kurzfristig auf die Sprünge.
Die US-Weizennotierungen an der CBOT werden vom frostigen Wetter im mittleren Westen der USA und höheren Exportraten gestützt. In der aktuellen USDA-Schätzung wird die australische Weizenernte gegenüber dem Vorjahr um insgesamt 10 Prozent zurück genommen. In Russland scheint Trockenheit die jungen Pflanzenbestände zur nächsten Saison zu beuteln. Finanzierungsprobleme dürften in der Ukraine zu verminderten Erträgen in 2015 führen. Insgesamt zeichnen sich damit stabile Vorzeichen für den Weizenmarkt ab.
Die weltweite Maisernte wird in der USDA-Schätzung leicht vermindert, dennoch bleibt es bei einer Rekordernte und Rekordlagerbeständen.
An der Pariser Euronext rangieren die Weizenkurse um 175 €/t. A13-Weizen wird für Januar franko (angeliefert) Hamburg um 200 €/t notiert. E-Weizen ab Thüringer Station wird Nov./Dez. angeliefert, auf ähnlichem Niveau beziffert. Körnermais franko Südoldenburg liegt bei 170 €/t für Nov./Dez. Braugerste bewegt sich zwischen 205 und 215 €/t franko Bayern und Oberrhein.
Die Rapsnotierungen bleiben auf dem Niveau um 340 €/t franko Ölmühle mit Zuschlägen von bis zu 5 €/t für die Termine ab Februar 2015.
Wie es mit der Preisentwicklung weiter geht, wird unterschiedlich eingeschätzt.
Bei Rekordernten von Getreide und Co sowie einem Überangebot auch auf dem Rohölmarkt haben institutionelle Anleger seit Beginn des zweiten Halbjahres 2014 in Scharen den Rohstoffmarkt verlassen. Noch im ersten Halbjahr haben die Rohstoffe in der Anlageklasse mit der besten Wertentwicklung rangiert. Seit Juni folgten Rekordernten bei Getreide, Mais und Ölsaaten auf schon gut gefüllte Läger. Schließlich hat am Rohölmarkt das Überangebot dazu geführt, dass die Stimmung deutlich geschmälert wurde. Verschiedene Banken haben sich ganz aus dem Rohstoffgeschäft verabschiedet, andere das Business mit dieser Anlageklasse deutlich vermindert.
Ein positiv gestimmter Rohstoffhändler sieht die Situation so: "Erst kam der Kampf um die Margen, jetzt folgen Liquidierungen. Das sind Zeichen einer Bodenbildung. Wer jetzt aufgibt und nicht mehr in Rohstoffe investiert, verpasst gute Chancen in der Zukunft."
Für die Bodenbildung der Preise könnte die aktuelle Entwicklung sehr wohl sprechen. Alles Weitere hängt bei den Agrarcommodities von der bevorstehenden Ernte ab. Prognosen sind in dieser Hinsicht mit Kaffeesatzleserei zu vergleichen. Sicherheitsorientierte Erzeuger nehmen beim aktuellen Weizenpreisniveau einen "weiteren Schluck aus der Vermarktungs-Pulle".
Brigitte Braun-Michels