Ohne Nachbesserung wird Biogas abgewickelt
Fachverband Biogas fordert Nachbesserungen am EEG-Entwurf
Dr. Guido Ehrhardt, Referent für Politik beim Fachverband Biogas |
Der 228 Seiten starke Arbeitsentwurf von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ruft die gesamte Biogasbranche auf den Plan
Wir haben uns mit Dr. Guido Ehrhardt, Referent für Politik beim Fachverband Biogas, über Stand und Folgen des EEG-Entwurfs unterhalten.
In einem offenen Brief an den Minister weisen 160 Biogas-Firmen jetzt darauf hin, dass mehrere 1.000 Arbeitsplätze und Milliarden-Investitionen in Gefahr sind. Die Kostendebatte aus dem Wirtschaftsministerium sei einseitig und gefährde die Energiewende, beklagen die Branchenvertreter. Herr Dr. Ehrhardt, die Diskussion um die EEG-Novelle sorgt für großen Unmut in der Branche. Wie ist der Stand der Dinge?
Dr. Guido Ehrhardt: Vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) wurde am 4.03.2014 ein Referenten-Entwurf vorgelegt. Zu diesem konnten die Fachverbände bis zum 12.03. Stellung nehmen. Noch im März ist geplant, die Ressortabstimmung zum EEG-Entwurf abzuschließen. Nach der für den 8. April vorgesehenen Verabschiedung im Bundeskabinett wird der Regierungsentwurf dann Bundesrat und Bundestag zugeleitet. Nach dem Zeitplan des BMWi soll das Gesetz am 1. August 2014 in Kraft treten.
Warum erzürnt der BMWi-Entwurf die gesamte Branche?
Dr. Ehrhardt: Aus unserer Sicht soll die Biogasnutzung in Deutschland systematisch abgewickelt werden. Es würde so gut wie keine Neuanlagen mehr geben. Bestehende Anlagen könnten nicht mehr erweitert oder auf die systemdienliche Fahrweise umgerüstet werden. Biogas auf Erdgasqualität aufzubereiten wäre ebenfalls nicht mehr möglich. Bisherige Geschäftsfelder für bestehende Firmen fielen weg, laufende Anlagen würden in ihrer wirtschaftlichen Nutzung begrenzt. Diese Maßnahmen vernichten nicht nur getätigte Investitionen. Biogas kann als speicherbarer erneuerbarer Energieträger einen bedeutenden Beitrag zur Energiewende leisten. Es scheint, dass dies schlichtweg ignoriert wird.
Der Fachverband Biogas hat zum Referentenentwurf Stellung genommen. Welche wesentlichen Knackpunkte sehen Sie?
Dr. Ehrhardt: Der Entwurf sieht für neue Biogasanlagen die ersatzlose Streichung der Einsatzstoffvergütungsklassen (EVK) für Energiepflanzen, wie Mais und Zuckerrüben, und Gülle vor. Dann gäbe es nur noch eine Grundvergütung, die für kein einziges Projekt auskömmlich wäre. Der Bau neuer Anlagen würde vollends zusammenbrechen. Wir fordern deshalb den Ersatz der EVK durch eine Anlagenklasse, bei der mindestens 60 Prozent Gülle und rein pflanzliche Nebenprodukte, wie Kartoffelschalen, eingesetzt werden. Für die verbleibenden 40 Prozent soll aus unserer Sicht gelten: Maximal 30 Masseprozent von einer Fruchtart, Verzicht auf Gentechnik und Verbot des Umbruchs von Dauergrünland sowie kein Einsatz von Mais.
Ein zweiter wichtiger Knackpunkt ist die „Überführung“ der bisherigen Flexibilitätsprämie in eine Abwrackprämie für bestehende Anlagen. Mit Hilfe der bisherigen Flexibilitätsprämie war es möglich, bestehende Anlagen mithilfe von zusätzlicher Motorkapazität und Biogasspeicher für eine bedarfsgerechte Stromeinspeisung umzurüsten. Bei der Abwrackprämie würde nur noch Geld gezahlt, wenn die Stromproduktion verringert wird. Das große Potenzial der bestehenden Biogasanlagen für die Energiewende wäre verschenkt.
Welche Folgen hat diese Umstellung?
Dr. Ehrhardt: Im Ergebnis verlieren Firmen ihre Geschäftsfelder. Es gibt keine neuen Motoren und Technik mehr. Der wirtschaftliche Nutzen der Anlagen wird reduziert. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass die bisherige Flexibilitätsprämie zumindest für bestehende Anlagen aufrecht erhalten bleibt.
Gibt es noch weitere Beschränkungen mit Folgewirkung?
Dr. Ehrhardt: Ja, der Zubau und die Erweiterung von Anlagen soll auf 100 Megawatt (MW) pro Jahr gedeckelt werden. Wird dieser Deckel überschritten, greifen harte Sanktionen. Um das politisch gewollte Ziel der Flexibilisierung von Alt- und Neuanlagen zu erreichen, sollte der Deckel auf 250 MW erhöht werden. Außerdem macht es Sinn, den Zubau installierter Leistung nur dann auf den Deckel anzurechnen, wenn dieser zu einer höheren Stromproduktion führt. Die technische Flexibilisierung des Anlagenbestandes zu deckeln, ergibt volkswirtschaftlich und energiesystematisch keinen Sinn.
Weiterer „Krisenpunkt“ des Papiers ist, dass die Erhöhung der Stromproduktion aus einer bestehenden Anlage keine Vergütung mehr erhalten soll. Wir meinen, dass es für bestehende Anlagen zumindest möglich sein sollte, technologische Effizienzpotenziale, zum Beispiel der Einsatz von besseren Motoren, zu nutzen.
Schließlich halten wir es für nicht tragbar, dass Bestandsanlagen der Bonus für die Minderung von Emissionen ersatzlos gestrichen werden soll. Auch dies ist ein harter Eingriff in den Bestandsschutz, der zurückgenommen werden muss.
Sehen sie ein, dass es grundsätzlich Änderungsbedarf in der Biogasbranche gibt?
Dr. Ehrhardt: Der Fachverband Biogas hat Vorschläge unterbreitet, um die Branche für ihre neue Rolle als „Stabilisator“ der Energiewende zu rüsten und die Biogasproduktion verstärkt ökologisch auszurichten. Jedoch hat man mit dem Entwurf unsere Vorschläge in den Wind geschlagen und versucht, eine mittelständische Branche mit 40.000 Arbeitsplätzen zu vernichten. Das Parlament und die Bundesländer müssen hier unbedingt nachbessern.
Dr. Ehrhardt, vielen Dank für das Gespräch.
Brigitte Braun-Michels