Debatte um Gentechnik geht weiter
Für und Wieder der Nutzung der Grünen Gentechnik
Mit der Diskussion um die EU-Zulassung der gentechnisch veränderten Maissorte 1507, die unter anderem ein Bt-Protein gegen den Maiszünsler produziert, ist in Deutschland wieder eine Debatte entbrannt. Wir haben uns mit Bettina Sanchez-Bergmann vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) e.V. über das Für und Wieder der Nutzung der Grünen Gentechnik unterhalten.
Welche Vorteile bringt die „Grüne Gentechnik“ aus Ihrer Sicht mit sich?
Bettina Sanchez-Bergmann: Im Werkzeugkasten der Pflanzenzüchtung ist die Grüne Gentechnik eine von vielen Methoden. Und stellt gleichzeitig eine bedeutende Weiterentwicklung gegenüber klassischen Züchtungsverfahren dar. Bei der klassischen Züchtung wird das gesamte Erbmaterial der Kreuzungspartner einer Art vermischt und es bleibt dem Zufall überlassen, ob und wie wünschenswerte Eigenschaften bei den Nachkommen ausgeprägt werden. Daher müssen meist zahlreiche zeitaufwändige Züchtungsversuche und Rückkreuzungen durchgeführt werden, um Pflanzen mit der gewünschten Veränderung zu erhalten. Aus diesen Gründen kann die Entwicklung einer neuen Sorte unter Umständen Jahrzehnte dauern.
Mit gentechnischen Verfahren können hingegen bestimmte, genau bekannte Erbinformationen auch anderer Arten ganz gezielt übertragen werden, um die gewünschten Eigenschaften ohne den Umweg über zahlreiche, oft auch nicht erfolgreiche, Kreuzungsversuche zu erhalten. Der Einsatz der Gentechnik ist besonders dann sinnvoll, wenn die klassische Pflanzenzüchtung an ihre natürlichen Grenzen stößt. Keinesfalls aber kann sie klassische Züchtungsmethoden ersetzen, sondern bietet ergänzende Lösungsansätze.
Ist die Ablehnung der Verbraucher gegenüber der Grünen Gentechnik Ihrer Meinung nach gerechtfertigt. Welche Chancen hat der Anbau gentechnischer Pflanzen in Deutschland überhaupt?
Bettina Sanchez-Bergmann: Die ablehnende Haltung vieler Verbraucher gegenüber der Grünen Gentechnik ist nachvollziehbar. Zum einen handelt es sich hierbei um ein Verfahren, das für den Laien nur schwer zu durchschauen ist. Zum anderen werden seit Jahren von Gentechnikkritikern Horrorszenarien beschrieben, die sich angeblich aus der Nutzung der Grünen Gentechnik ergeben. So wird Stimmungsmache gegen diese Methode betrieben. Die Verunsicherung der Verbraucher ist daher groß.
Die Bedenken nehmen wir ernst und begegnen ihnen mit größtmöglicher Transparenz. Dazu gehört vor allem auch die Aufklärung über Chancen und Potenziale dieser Technologie. Die anderer Seite der Medaille: Aufgrund der fehlenden Nachfrage der Produkte durch Landwirte und Verbraucher haben mittlerweile viele deutsche Pflanzenzüchter ihre Forschungsaktivitäten in Deutschland eingestellt und bieten weder in Deutschland noch in der EU gentechnisch veränderte (gv) Sorten an. Gleichzeitig erfährt die Gentechnik weltweit einen jährlichen Zuwachs, weshalb viele Züchter ihre Forschung in Ländern außerhalb der EU verlegt haben.
Würden landwirtschaftliche Erzeuger von der grünen Gentechnik profitieren oder wegen Umsatzeinbußen Schaden nehmen?
Bettina Sanchez-Bergmann: Aufgrund der hohen rechtlichen und bürokratischen Hürden und den damit verbundenen Auflagen für den Hersteller, ist die Züchtung einer GV-Pflanze ausgesprochen teuer. Deshalb kosten solche Sorten mehr als konventionelle Vergleichssorten. Ein Landwirt profitiert nur von der Grünen Gentechnik, wenn er gentechnisch veränderte Pflanzen gezielt einsetzt. Der Einsatz eines zünslerresistenten Bt-Mais macht zum Beispiel nur dann Sinn, wenn ein wirtschaftlich bedeutender Zünslerbefall vorhanden ist. Darüber hinaus ist die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen auch nur sinnvoll, wenn ein Absatzmarkt für die daraus resultierenden Produkte vorhanden ist. Vor dem Hintergrund der hierzulande vorherrschenden Ablehnung der Grünen Gentechnik, wäre diese Voraussetzung derzeit nicht gegeben und Umsatzeinbußen daher zu erwarten.
Seit Jahren werden zum Beispiel in den USA, Kanada, Brasilien und Argentinien gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Können hiesige Verbraucher überhaupt sicher sein, Sojaprodukte zu verzehren, die nicht von gentechnisch unveränderten Pflanzen stammen?
Bettina Sanchez-Bergmann: Viele Sojaprodukte finden in der Lebensmittelherstellung Verwendung: Sojaöl z.B. in Margarine und Mayonnaise, Sojalecithin z.B. in Eiscreme, Backwaren, Schokolade, Vitamin E als Antioxidationsmittel in vielen fetthaltigen Lebensmitteln, Sojaproteine in vielen Fertigprodukten, Sojamehl/ Sojagries in einigen Backwaren. All diese Produkte müssten bei Lebensmitteln als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden, wenn sie aus GV-Sojapflanzen hergestellt sind. Da der Handel aber Umsatzeinbußen durch eine solche Kennzeichnung befürchtet, wurde die Produktion größtenteils auf GVO-freies Soja oder entsprechende Ersatzprodukte (z.B. Rapsöl statt Sojaöl) umgestellt. Der Verbraucher kann also sicher sein, dass er kein GV-Soja zu sich nimmt, wenn dies nicht entsprechend auf dem Lebensmittel gekennzeichnet ist. Unbeabsichtigte GVO-Spuren in herkömmlichen Produkten sind allerdings nie ganz auszuschließen.
Der größte Teil der Sojabohnen wird hierzulande jedoch zu Futtermitteln verarbeitet. Als Futtermittel unterliegt dieses Sojaschrot ebenfalls der GVO Kennzeichnungspflicht. Das mithilfe dieser Futtermittel produzierte Fleisch jedoch nicht. Das macht einerseits Sinn, da im Endprodukt Fleisch keinerlei Bestandteile des GV-Futters mehr nachweisbar sind. Andererseits wünschen sich viele Verbraucher eine klarere Kennzeichnung und fühlen sich hierdurch getäuscht. Einige Fleischproduzenten haben auf die Skepsis der Verbraucher reagiert und bieten Fleisch aus gentechnikfreier Fütterung an. Dies gelingt über direkte Verträge mit den Produzenten und eine aufwändige und lückenlose Rückverfolgbarkeit, denn in den Herkunftsländern werden GV-Produkte und nicht-GV-Produkte in der Regel nicht getrennt. Dadurch wird das so produzierte Fleisch allerdings teurer.
Dennoch, eine Umstellung sämtlicher in Deutschland und der EU benötigten Futtermittel auf GVO-freie Produkte ist derzeit illusorisch. Europa produziert selbst zu wenig eiweißreiche Futtermittelpflanzen, um die großen Nutztierbestände ernähren zu können. Wir sind daher auf den Import von Soja – und damit auch von GV-Soja – angewiesen.
Das Interview führte Brigitte Braun-Michels.
Den zweiten Teil des Interviews lesen Sie morgen.