Frische Kartoffeln aus Deutschland kommen im Ausland gut an
Kartoffelexperten im Gespräch: Interview mit Christoph Hambloch, Marktanalyst Kartoffeln bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI).
Herr Christoph Hambloch ist seit 1992 in unterschiedlichen Unternehmen, Gremien und Verbänden als unabhängiger Experte für den Kartoffelmarkt tätig. Als Marktanalyst in der Agrarmarkt Informations GmbH informiert er derzeit die Branche zeitnah über aktuelle Entwicklungen in allen Segmenten des Marktes.
Herr Hambloch, nach zwei guten Jahren erleben wir aktuell ein eher schwieriges Marktumfeld. Wodurch war der Markt für Speise- und Verarbeitungskartoffeln in Deutschland und in der EU 2017 gekennzeichnet? Was waren die wichtigsten Treiber?
Zwei gute Kartoffeljahre haben dazu geführt, dass die Anbaufläche in West- und Mitteleuropa über den Bedarf hinaus ausgedehnt wurde. Gleichzeitig bescherte günstiges Wetter während der Hauptwachstumsperiode von Nordfrankreich bis Polen hohe Erträge. Die auf diese Weise herangewachsene große Ernte hatte allerdings relativ viele Qualitätsprobleme, die zu Angebots- bzw. Auslagerungsdruck führten. Im Gegensatz zu 2015 und 2016 fehlte es in dieser Saison darüber hinaus an einem frühen Nachfragesog aus einer schwach versorgten Region. 2015 waren das Süddeutschland und Südeuropa, 2016 fehlte in Westeuropa Frittenrohstoff.
Welchen Einfluss hat(te) dies auf die Warenströme in Europa und die Wettbewerbsfähigkeit der in Deutschland produzierten Kartoffeln?
Da kaum eine Region in der EU 2017/18 mehr Kartoffeln als in normalen Jahren benötigt, haben sich bisher für Deutschlands Kartoffelhändler nur schwache Lieferströme herausgebildet. Zudem konkurrieren Franzosen und Deutsche heftig um die Gunst der Käufer in Süd- und Osteuropa. Dabei entscheidet wegen des niedrigen Preisniveaus vor allem der Frachtkostenvorteil darüber, wer liefert. Diesen haben wir einmal in Deutschland, in anderen Fällen geht er an die Franzosen. Fast noch problematischer ist die Qualitätslage in unserem Überschussgebiet Niedersachsen. Es herrschen oftmals große Bedenken, ob die Kartoffeln bei der Ankunft beim Kunden auch noch dessen Anforderungen entsprechen. Beim Verkauf von Verarbeitungsrohstoff in den Beneluxraum ist eher entscheidend, dass die Kunden umfassend mit Vertragskartoffeln eingedeckt sind. Den ziehen sie flott, sonst geht aber kaum was.
Wie schätzen Sie die Marksituation für Kartoffelstärke bei uns ein? Welche weitere Flächenentwicklung erwarten Sie?
Vom vergangenen auf das aktuelle Jahrzehnt ist die Verarbeitung von Stärkekartoffeln um rund 1 Mio. t auf etwas über 2 Mio. t zurückgegangen. Damit wurde es immer schwieriger, vor allem den Bedarf an Kartoffelstärke am Weltmarkt ausreichend zu bedienen. Nun nimmt die Anbauentwicklung bei Stärkekartoffeln Fahrt in Richtung früherer Größenordnungen auf. Das wird sich noch fortsetzen, schließlich ist vor allem in den Überschussgebieten kaum noch ausreichend Absatz in andere Verwertungen zu finden und die Erlössituation wurde zuletzt tendenziell auch besser.
Das Konsumverhalten der Verbraucher verändert sich, offenbar nicht nur in Deutschland. Welche Trends sind in Deutschland sowie in Ländern, die in Deutschland Kartoffeln kaufen, zu erwarten?
Die positive Nachricht vorweg: 2017 konnten wir bei den Kartoffeleinkäufen privater Haushalte erstmals sein Plus gegenüber dem Vorjahr feststellen und zwar von 1,6 %. Vor allem die zweite Jahreshälfte war absatzstark. Dabei war es nicht nur die rasche Folge von Sonderangeboten mit Kartoffeln in großen Gebinden, die den Erfolg ausmachten, sondern auch das Interesse an Kartoffeln ganz allgemein, was der Zuwachs in Geschäftstypen ohne Sonderaktionen zeigt. Beim Kartoffeleinkauf verlassen sich die Verbraucher immer mehr auf die Discounter und Supermärkte. Der Wochenmarkt aber auch der Erzeuger-Verbraucher Direktverkehr verlieren hingegen weiter an Bedeutung. Für die Geschäfte ist die Regionalität der Produkte ein Riesenthema. Das führt zu Veränderungen von Anbauschwerpunkten und Warenströmen. Der Aspekt Bio gewinnt dagegen eher langsam an weiterer Bedeutung. Fast keine hat er bei Kartoffelprodukten. Die sind konventionell erzeugt, aber bei den Verbrauchern ungebrochen sehr beliebt, allen voran Pommes frites, Chips und ein breiteres Sortiment an gekühlten Erzeugnissen und Zubereitungen.
Ein wachsender Absatz von Kartoffelprodukten ist in vielen anderen Ländern zu beobachten. Frische Kartoffeln aus Deutschland kommen im Ausland meistens deshalb zum Zug, weil sie günstig oder qualitativ besser sind. Das trifft häufig auf die zweite Wirtschaftsjahreshälfte und dann auf Länder mit Standortnachteilen zu. Ganz oben auf der Liste stehen dabei Italien und Tschechien.
Welche Anforderungen an den Rohstoff Kartoffel werden daraus nach Ihrer Ansicht resultieren, und wie können Landwirte sich darauf einstellen?
Im Grunde genommen sind die Anforderungen erfüllt. In unseren Überschussgebieten sind die klimatischen Verhältnisse und die Möglichkeiten zur optimalen Lagerung gut. Bei steigenden Aufwendungen und gleichzeitig wegen der natürlichen Verhältnissen in Richtung Osten und Süden sinkender Erträge, kann hierzulande preiswerter als dort produziert werden. Wird dann noch beachtet, dass die Qualitätsanforderungen so hoch sind wie hierzulande, ist langfristig ein weiterer Ausbau des Frischkartoffelexports möglich.
Ein markanter Punkt für den Kartoffelmarkt ist der Beginn der Frühkartoffelsaison. Sehen Sie Chancen für eine Aufhellung der Stimmung und Verbesserung der Marktlage?
Die Umstände zum Beginn der Frühkartoffelkampagne sind noch nicht abzusehen. Es kann noch sehr viel passieren. Keiner weiß, ob hiesige Überschüsse bis Mai halten und wie die Erträge und Erntetermine im Mittelmeerraum sind. Die geplanten Liefermengen aus Ägypten, Israel und Spanien werden wohl gegenüber 2017 kaum zurückgehen. Hierzulande sieht es auch nicht nach Anbaueinschränkung im frühen Bereich oder darüber hinaus aus. Dafür fehlt es den Landwirten an lukrativen Alternativen auf dem Acker. Sie müssen zudem in einigen Landstrichen die wegen Nässe nicht ausgebrachten Winterungen durch Sommerungen ersetzen. Dabei könnten auch Kartoffeln zum Einsatz kommen. Nässe bleibt übrigens seit dem vergangenen Sommer ein Dauerthema. Noch sind es nur daraus resultierende Qualitätsprobleme, bald könnten es aber auch Strukturschäden der Böden und Behinderungen der Auspflanzungen für die nächste Saison sein.
Welche Auswirkungen hat der Brexit auf Warenströme und Markt?
Bei frischen Kartoffeln wird der Brexit kaum spürbar werden. Dafür sind die Anforderungen an die Qualität auf dem Kontinent und in Großbritannien viel zu unterschiedlich. Der einzige nennenswerte Warenstrom sind festkochende Speisekartoffeln, die von Nordfrankreich aus Vertragsanbau nach Großbritannien fließen. Ansonsten werden Kartoffeln nur in Notsituationen vom Kontinent bezogen und dem steht ein Brexit wohl nicht im Weg. Es mag noch sein, dass Frühkartoffeln aus dem südöstlichen Mittelmeerraum nicht mehr so einfach als Reexport von Großbritannien nach Deutschland kommen, diese Mengen waren aber stets sehr klein.
Bei Kartoffelprodukten sieht die Situation völlig anders aus. So wird einiges an Kartoffelstärke nach Großbritannien verkauft, wo es keine eigene Stärkeindustrie gibt. Das wird die Veränderungen im Warenstrom geringhalten. Hinzu kommen reichlich Pommes frites Lieferungen aus Belgien und den Niederlanden. Im Jahr 2016/17 waren es vorläufigen Daten zufolge über 600.000 t. Davon könnten die Briten künftig einen Teil selber produzieren, was auch für den deutschen Kartoffelanbau als Versorger der Fabriken in den Niederlanden und in Belgien Bedeutung hätte. Viele Dinge im künftigen Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien müssen aber bekanntlich erst noch geklärt werden.
Herr Hambloch, eine letzte Frage: Haben Sie einen Rat oder eine Empfehlung, die Sie den Kartoffelproduzenten für die kommende Saison mit auf den Weg geben möchten?
Der Kartoffelanbau ohne Vertrag oder Preisabsicherung wird 2018 extrem risikoreich, wenn auf einer nochmals erweiterten Fläche normale Erträge heranwachsen und nirgends in Europa eine größere Missernte anfällt. Wer derzeit noch keinen passenden Vertrag findet, kann eventuell im Frühsommer am Terminmarkt noch einen guten Preis absichern, wenn das Wetter wieder für Verunsicherung sorgen sollte. Falls nicht, ist es vor allem in den Überschussgebieten vielleicht schon zu spät. Dort, wo die eigene Ware sowieso nie für das ganze Jahr ausreicht, haben die Erzeuger dagegen zumindest Absatzsicherheit für gute Qualitäten, und einen Preisvorsprung nahe am Frachtkostenvorteil sollten sie auch einfordern.
Sehr geehrter Herr Hambloch, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Weitere Informationen finden Sie hier:
- Hintergrundinformationen zur aktuellen Marktsituation zum Download
- syngenta.de/kartoffeln
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