Grüne Bestände täuschen gute Ernte vor
Trockenheit oder Regen entscheiden in den nächsten Wochen über die Erntemenge
Trockenheit oder Regen entscheiden in den nächsten Wochen über die Erntemenge. Frühe Vegetation verstärkt das Lagerrisiko von Getreide und Raps. Über die aktuelle Situation auf den Feldern sprachen wir mit Dr. Schönberger, Geschäftsführer der N.U. Agrar.
Dr. Schönberger, im Moment machen die Getreide- und Rapsschläge in Deutschland einen guten Eindruck. Wie waren die Startbedingungen für das Wintergetreide im Herbst 2013?
Dr. Schönberger: Bundesweit sind Raps und Gerste gut in den Boden gekommen. Beim Weizen stellt sich das Bild etwas differenzierter dar. Früh ausgesäter Weizen hatte in der Regel gute Saatbedingungen. Im Oktober und November wurde ein 200 km breiter Streifen quer durch Deutschland, von der Pfalz bis nach Berlin, mit viel zu viel Regen gesegnet. Die Rüben- und Maisernte wurde unterbrochen. Wenn überhaupt bestellt werden konnte, musste der Weizen in den Boden geschmiert werden. Danach fehlte tiefgreifender Frost, um die Strukturschäden wieder zu beheben. Dort ist mit Ertragseinbußen zu rechnen. Spät ausgesäter Weizen, Ende November/Dezember nach Zuckerrüben, hatte wieder bessere Auflaufbedingungen.
Wie beurteilen Sie den Zustand der Getreideschläge nach dem milden Winter?
Dr. Schönberger: Das Getreide ist, physiologisch betrachtet, alt. Durch die milde Witterung entwickelten sich die Pflanzen viel weiter als in anderen Jahren. Die Bestände sehen zwar optisch gut aus, sind aber überaltert und oft noch zu üppig. Das begrenzt später das Kornwachstum. Mit geringen Hektoliter-Gewichten ist zu rechnen. Je nässer es in der späteren Schossphase und zu Beginn des Ährenschiebens ist, umso größer ist das Lagerrisiko, weil die andauernde Vegetation im Kurztag das Längenwachstum begünstigt. Problematisch wird es, wenn die Frühjahrestrockenheit noch länger anhält, weil auf zwei Drittel der Standorte in Deutschland im Winter zu wenig Regen gefallen ist.
Warum ist Regen jetzt wichtig?
Dr. Schönberger: Die Böden haben ihre Wasserreserven mittlerweile aufgezehrt. Sorptionsschwache Standorte können meines Erachtens nur noch zwei Wochen Trockenheit aushalten, bevor Ertragseinbußen zu verzeichnen sind. Diese werden sich im Einzelährenertrag bemerkbar machen. In diesem Frühjahr wurden auf vielen Standorten seit Januar nur 50 Prozent der üblichen Niederschlagsmenge erreicht. Selbst auf guten Böden, mit ausreichender Wasserhaltekraft wird es eng, wenn der Regen bis Mitte Mai weitgehend ausbleibt. Meiner Einschätzung nach haben zwei Drittel der Flächen in Deutschland zu wenig Wasser.
Trifft das auch für die Rapsbestände zu?
Dr. Schönberger: Die Ausbildung der Rapsknospen ist fast überall sehr gut. Wenn Wasser weiterhin fehlt, wird es auch hier schwierig. Im Grunde haben wir bei Raps zwei Probleme. Zu viel Wasser in nächster Zeit würde dazu führen, dass die Bestände bis zu drei Meter hoch werden, was zwangsläufig zu Lager führt. Zu wenig Wasser begrenzt den Schotenansatz und die Kornbildung und damit den Ertrag. Zurzeit ist es kaum möglich, eine Vorhersage zu machen. Allerdings ist es aus meiner Sicht nicht vertretbar, jetzt von guten Ernten zu sprechen, nur weil alles grün und viel weiter entwickelt ist. Das Wohl und Wehe hängt von rechtzeitigem Regen ab, also von zwei bis drei Tagen mit Landregen zu Beginn der Blüte!
Sieht die Situation im Schwarzmeerraum ähnlich aus?
Dr. Schönberger: Was das Wasser anbelangt, ja. Die ungewöhnlich geringe Schneemenge in Russland und der Ukraine hat dazu geführt, dass auch dort wenig Feuchtigkeit in den Böden verfügbar ist. Schon jetzt zeichnen sich erste Schwierigkeiten mit dem Auflaufen der Sommerfrüchte ab. Die Frage ist auch, wo das Wasser in Zukunft herkommen soll. Regen entsteht, vereinfacht ausgedrückt, vorwiegend durch Verdunstung von Wasser im Meer. Das durch die Sonne verdunstete Wasser kondensiert und wird in Wolken verwandelt, die schließlich abregnen. Voraussetzung für die Verdunstung ist Wärme. Bis jetzt ist es zu kühl und diese Situation dürfte sich erfahrungsgemäß im Schwarzmeerraum bis Mitte/Ende Mai nicht ändern.
Dürfen wir nach dem milden Winter mit einem erhöhten Schädlingsbefall rechnen?
Dr. Schönberger: Die Mehrzahl der Schädlinge legen im Herbst Eier oder bilden Larven. Die werden parasitiert oder von anderen gefressen. In der Regel ist der Schädlingsbefall nach einem milden Winter eher geringer als nach einem strengen. Der Befall mit Rapsschädlingen hielt sich in diesem Frühjahr in Grenzen. Der Rapsglanzkäfer musste zwar bekämpft werden. Das Befallsausmaß ist aber wesentlich geringer als in den vergangenen Jahren. Im Getreide wurden zwar erste Getreidehähnchen beobachtet, deren Bekämpfung aber noch nicht angebracht war. Ansonsten herrscht bislang Ruhe.
Wie sieht es mit den Frühjahrskulturen aus?
Dr. Schönberger: Durch die frühe Bestellung profitieren die Frühjahrskulturen. Wenn in der nächsten Woche die Eisheiligen vorbei sind, sind die meisten Zuckerrüben bereits ausgelaufen und der Mais ist in der Erde. Damit können diese Kulturen gut starten. Davon aber auf eine Top-Ernte zu schließen, wäre vermessen.
Wann treten durch die trockene Witterung wo Schäden auf?
Dr. Schönberger: Auf sandigen und stark tonigen Böden benötigen wir in den nächsten 8 bis 14 Tagen dringend Regen, sonst treten erste Trockenschäden so gut wie sicher auf. Gute Böden halten noch vier Wochen durch. Dann dürfte es auch dort kritisch werden. Der Wetterbericht sagt bis 19. April keine weiteren Regenfälle voraus. Ich kann mir vorstellen, dass es sogar noch länger trocken bleibt. Zweiter kritischer Faktor: Die Pflanzen befinden sich derzeit in der Schossphase und das Längenwachstum wird auf guten Böden noch nicht begrenzt. Ich schätze, dass Lagergetreide im diesem Jahr der andere ertragslimitierende Faktor sein wird.
Dr. Schönberger, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Brigitte Braun-Michels.